Noch ist in dieser Republik kein Regierungsauftrag erteilt worden, aber immerhin schon so etwas wie ein erster Handlungsauftrag; nicht durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen, sondern von Beate Meinl-Reisinger. Die Neos-Chefin hat am Dienstag allen Parlamentsparteien ein E-Mail geschrieben, notwendige Strukturreformen einzuleiten.

Die Wahl sei ein „Denkzettel“ gewesen, so Meinl-Reisinger nach einer Sitzung des Parteivorstandes, ein „weiter wie bisher“ könne es nicht mehr geben. Mit dem Schreiben wollen die Neos ausloten, wie ernst es den Parteien ist, strukturelle Anpassungen zu beschließen. „Für viele Reformen braucht man eine Zwei-Drittel-Mehrheit“.

Sondierungsteam erst am Donnerstag

Die FPÖ, die auch grundlegende Änderungen gefordert hat, will Meinl-Reisinger „beim Wort“ nehmen. Sie erwartet sich, dass auch die Freiheitlichen den Kontakt mit den anderen Parteien suchen – unabhängig von einem möglichen Regierungsauftrag. „Er braucht keinen Auftrag, sondern Herbert Kickl muss jetzt einen Schritt auf die anderen Parteien zu machen.“ Die Neos seien „bereit, zu sondieren“, am Donnerstag wird dafür vom Erweiterten Vorstand der Partei ein Team nominiert. Meinl-Reisinger stellte klar: „Uns geht es immer um Reformen, nicht um Posten, nicht um Koalitionen“.

Bei der Nachfrage, welche Reformen für die Neos drängend sind, verwies die Parteichefin auf die im Wahlkampf präsentierten Forderungen, darunter auch im Bildungsbereich. Dass die gemeinsame Schule, die im Wahlprogramm gefordert wird, zwar mit der SPÖ, aber wohl kaum mit der ÖVP umgesetzt werden kann, ist den Neos klar. „Aber da haben wir auch einen Vorschlag gemacht.“ Der Wiener Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr hatte vor einigen Wochen die Verlängerung der Volksschule um zwei Jahre verlängern.

„Steuerpolitisch Mitte-rechts-Kurs gestärkt“

Klar wurde die liberale Obfrau bei einem zwischen Rot und Schwarz offensichtlichen Knackpunkt, den von Parteichef Andreas Babler geforderten Vermögenssteuer. „Steuerpolitisch wurde am Sonntag ein Mitte-rechts-Kurs deutlich gestärkt“, sagte Meinl-Reisinger, die im Ergebnis eine klare Absage an neue Steuern sah.

Neue Wege wollen die Neos auch bei der Wahl des Nationalratspräsidenten gehen. Es sei zwar Usance, dass die stärkste Partei den Präsidenten stellt, „aber das kann kein Automatismus sein“, so Meinl-Reisinger. Es müsse eine „untadelige“ Persönlichkeit sein, die überparteilich agiere und parlamentarische Erfahrung aufweise. „Wir werden diese Person auch zu einem Hearing bei uns im Klub einladen“, kündigte Meinl-Reisinger an.