„Herbert, Herbert, Herbert“, rufen die klatschenden Anwesenden, als Parteichef und Wahlsieger Herbert Kickl den Gastgarten des FPÖ-Wahlpartylokals im Alten Wiener AKH betritt. Als die Musik aus den Boxen verstummt, greift Kickl zum Mikrofon. „Genießt es, saugt es auf, mit jeder Faser eures Körpers, denn es ist ein Stück Geschichte, das wir heute gemeinsam geschrieben haben.“ In seinen kühnsten Träumen habe er sich diesen Erfolg nicht vorstellen können, „ich kann euch gar nicht sagen, wie sehr ich mich über dieses Ergebnis freue“. Nachdem er seinem Team gedankt hat, ruft er in die Menge: „Gred hamma jetzt genug, jetzt gemma feiern.“
Als wenige Stunden zuvor die Balken der ersten Hochrechnung über die Bildschirme des Landes flimmern, will auf der FPÖ-Wahlparty noch nicht so richtig Stimmung aufkommen. Die Übertragung erfolgt verzögert und ohne Ton, nur vereinzelt ertönt Jubel auf der kleinen Bühne, auf der Funktionärinnen und Funktionäre mit blauen „Danke“-Schildern in die zahlreichen Kameras winken. FPÖ-Granden abseits der beiden Generalsekretäre Michael Schnedlitz und Christian Hafenecker sucht man dort wie im Publikum vergeblich, auch Landesfunktionäre sind bei der ersten Hochrechnung kaum anwesend.
Die Freude der blauen Unterstützer trübt das nicht. „Das ist wie Weihnachten und Geburtstag zusammen“, ruft ein junger Wiener Funktionär, der die erste Hochrechnung mit einem Bier in der Hand verfolgt. „Das hat nicht einmal der Jörg geschafft“, ergänzt einer aus Kärnten, der neben ihm steht. „Aber viel wird sich ja trotzdem nicht ändern, wenn die anderen nicht wollen“, wirft eine Dritte in der Runde ein und spielt damit auf jene Position an, die die anderen Parteien an diesem Wahlabend gegenüber diversen Medien mehrfach wiederholen werden: keine Koalition mit der FPÖ.
Bleibt es dabei, befürchten nicht wenige in der Partei einen Pyrrhussieg. Und das, obwohl Kickl als Spitzenkandidat das bisherige Rekordergebnis der Freiheitlichen, das Jörg Haider 1999 erringen konnte (26,94 Prozent), übertreffen und seine Partei erstmals in ihrer Geschichte auf Platz eins bei einer Nationalratswahl bringen konnte. Die konsequente und bisweilen auch in den eigenen Reihen nicht ganz unumstrittene Ausrichtung der Partei durch den streitbaren Obmann hatte die Freiheitlichen zum unangefochtenen Umfragenkaiser aufsteigen lassen, ihr den ersten Platz bei der EU-Wahl beschert und die FPÖ nun als erste Partei bei der Nationalratswahl durchs Ziel gebracht. Daran haben auch die zahlreichen Warnungen der anderen Parteien vor und die Abgrenzung von Kickl nichts geändert.
An das kategorische Nein für eine Zusammenarbeit mit ihm will Kickl freilich auch nach seinem Wahlsieg nicht glauben. Zahlreiche Unterstützer, die vor den eisigen Temperaturen im Gastgarten des Wahlparty-Lokales ins Innere geflüchtet sind, lassen Sektkorken knallen und jubeln vor einem aufgestellten Fernseher, als der Parteichef im ORF erklärt: „Es ist schon so viel geredet worden, insbesondere von Vertretern der österreichischen Volkspartei.“ Die Wähler „haben ein Machtwort gesprochen“, in den nächsten Wochen werde noch „Bewegung in die Sache“ kommen. Und er hält fest: „Unsere Hand ist ausgestreckt“.
Von einem „Opfern“ Kickls für einen Platz in der nächsten Regierung will an diesem Wahlabend niemand etwas hören, auch nicht ein anwesender Funktionär, der Kickl später bei seinem umjubelten Einzug in das nun deutlich besser besuchte Wahlparty-Lokal im Vorbeigehen die Hand schütteln wird. „Warum sollten wir einen Parteichef aufgeben, der uns aus dem Dreck gezogen und dieses Traumergebnis erst ermöglicht hat? Da fragen uns die Leute doch, ob wir noch ganz dicht sind.“