Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen gilt als ein Merkmal der Moderne. Das klingt klug und kompliziert zugleich, anhand der eher biederen heimischen Politik lässt sich das Phänomen aber anschaulich darstellen: Drei Tage vor der Wahl sind die Parteien mit der einen Gehirnhälfte noch voll im Wahlkampfmodus, während sie mit der anderen bereits an die Zeit danach denken. Oder anders ausgedrückt: Vertreter ein und derselben Partei brechen mit Leidenschaft noch immer jene Brücken zur politischen Konkurrenz ab, an deren Wiederaufbau ein anderer Teil der Partei unter wachsendem Zeitdruck arbeitet.

Ausgerechnet die FPÖ, ansonsten eigentlich die unumschränkten Meister der politischen Eindeutigkeit, glänzte am Donnerstag in dieser Disziplin. Da beschimpfte Generalsekretär Christian Hafenecker die ÖVP von Karl Nehammer als „zutiefst korrupt“ und durchdrungen von der Lust am Machtmissbrauch, während kurz zuvor Parteichef Herbert Kickl die Gemeinsamkeiten zur Kanzlerpartei („Sicherheit und Wirtschaft“) – und sogar zur SPÖ von Andreas Babler (“Soziales und Pensionen“) hervorhob. Schon tags zuvor warb auch die blaue Verfassungssprecherin Susanne Fürst um die ÖVP: „Lassen Sie uns die ‚Festung Österreich‘ gemeinsam bauen!“

Nicht weit davon entfernt predigte dafür Babler einmal mehr seine Botschaft von der SPÖ als eherner Brandmauer gegen Kickl in jeder Form, während der ehemalige SPÖ-Klubchef Josef Cap findet, dass eine „Brandmauer nur für noch mehr FPÖ-Stimmen“ sorgt.

In anderer Form erleben nicht nur Neos mit Matthias Strolz, sondern auch die Grünen ihre ganz eigene Begegnung mit der Vergangenheit: Klubchefin Sigrid Maurer hatte der ehemaligen Grünen-Chefin Madeleine Petrovic, die am Sonntag auf eigene Rechnung kandidiert, vorgeworfen, „komplett abgedriftet“ zu sein und Antisemiten anzuziehen, den Klimawandel zu leugnen und Russlands Präsidenten Putin zu verharmlosen. Petrovic‘ Konter kam schnell und direkt: „Sigi Maurer ist eine echte Schande für die Grün-Bewegung.“

Drei Tage Wahlkampf noch, dann sind die Wähler am Wort – und es beginnt eine neue Realität.