Österreichs Bevölkerung wächst, jedoch nicht die Zahl der Wahlberechtigten. Grund dafür ist Migration in Verbindung mit einem im europäischen Vergleich restriktiven Staatsbürgerschaftsrecht. Die Einbürgerungsrate ist eine der niedrigsten innerhalb der EU. Zudem betrifft rund die Hälfte aller Einbürgerungen Personen, die in Österreich geboren wurden.

Hauptverantwortlich für diese Entwicklung ist aber nicht die in der politischen Debatte dominierende Zuwanderung über das Asylsystem, sondern Migration aus anderen EU-Ländern. Seit 2002 wuchs Österreich um etwa eine Million Ausländer, mehr als 600.000 davon, also rund 60 Prozent, sind EU-Bürger. Doch gerade aus Unionsländern suchen nur wenige um eine österreichische Staatsbürgerschaft an. In den vergangenen zehn Jahren waren es nur 15.000.

Viele EU-Länder reagierten auf diese Entwicklung

Die Personenfreizügigkeit und ihre auch demokratiepolitischen Konsequenzen haben die Gesetzgebungen in etlichen Staaten verändert. In Frankreich, Deutschland, Irland, Portugal und Belgien können Kinder, die in diesen Ländern geboren werden, die Staatsbürgerschaft erhalten, wenn die Eltern schon länger dort leben. Auch ermöglichen mehrere Mitgliedstaaten für EU-Bürger Doppelstaatsbürgerschaften, darunter Deutschland, Finnland, Dänemark und die Niederlande. In Belgien, Frankreich, Italien und Schweden ist dies auch für Nicht-EU-Bürger möglich.

In Österreich fordern SPÖ, Grüne und Neos Änderungen in diese Richtung, wobei im Fall der Sozialdemokraten die Forderung nicht im aktuellen Wahlprogramm aufscheint. Man unterstütze aber den Wunsch der Wiener SPÖ, die Einkommenshürden zur Erlangung der Staatsbürgerschaft zu reduzieren. Nach Abzug aller Fixkosten müssen derzeit rund 1000 Euro zur Verfügung stehen.

ÖVP und FPÖ lehnen jegliche Änderungen am Staatsbürgerschaftsgesetz kategorisch ab und fordern vielmehr Verschärfungen. Im Fall der Volkspartei betrifft dies im Wesentlichen die Deutschkenntnisse, die abgetestet werden sollen. Die Blauen gehen weiter, bleiben aber vage. So sollen die Anforderungen und Wartefristen „deutlich angehoben“ werden und neben dem Einkommen sollen Bewerber auch ein nicht näher definiertes „Vermögen“ nachweisen müssen. Asylberechtigte sollen keine Möglichkeit der Einbürgerung mehr haben.

Oberösterreich bald mit mehr Mandaten als das größere Wien

Eine Folge dieser Entwicklung sind Verschiebungen bei der Repräsentativität. So leben in Wien rund 300.000 Einwohner mehr als in Niederösterreich ­– und der Abstand vergrößert sich. Im Nationalrat verfügt Wien jedoch nur über 33 Mandate, Niederösterreich über 37, da sich die Mandate auf die Staatsbürgerzahl beziehen. Aufgrund des höheren Ausländeranteils dürfte Wien bei der nächsten Wahl auch hinter Oberösterreich zurückfallen.

Die Frage der Repräsentativität stellt sich auch in anderer Hinsicht. Weil es überproportional viele Ausländer in der jüngeren Bevölkerung gibt, sind in Österreich 26 Prozent der 16- bis 29-Jährigen nicht wahlberechtigt. Vor zwanzig Jahren waren es noch 13 Prozent. Am stärksten ist dies in Wien ausgeprägt, wo bereits 43 Prozent der jungen Altersgruppe nicht mehr wahlberechtigt sind.

Ein Drittel der Wahlberechtigten ist über 60 Jahre

Dies verstärkt eine ohnehin bestehende Entwicklung: die Alterung der Gesellschaft. Ein Beispiel aus der Steiermark: Bei der Nationalratswahl 1990 war ein Viertel der Wahlberechtigten unter 30 und ein Viertel über 60 Jahre alt. Obwohl dann 2007 das Wahlalter auf 16 Jahre abgesenkt wurde, sind diesmal nur mehr 18 Prozent der Wahlberechtigten unter 30, dagegen ist schon jeder Dritte über 60 Jahre.

Ein weiteres Argument, das auch von der SPÖ vorgebracht wird: Berufsgruppen mit hohem Ausländeranteil werden nicht gemäß ihrer Bedeutung für den Arbeitsmarkt an Urnengängen beteiligt. Ein Drittel der Baubranche ist nicht wahlberechtigt, mehr als die Hälfte in der Gastronomie und in der Landwirtschaft und bei Reinigungskräften rund 70 Prozent. In einigen dieser Branchen sind die Einkommen zudem so niedrig, dass die Einbürgerungshürde oft nicht übersprungen werden kann.