Mitten in die finale Phase des Wahlkampfes im Land platzt die Nachricht eines mutmaßlichen Flüchtlingslagers, das Ungarn unweit der burgenländischen Grenze errichten will. Die Bevölkerung vor Ort lief dagegen ebenso Sturm wie Burgenlands Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil (SPÖ). Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) glaubt zwar nicht ganz an eine Kehrtwende von Präsidenten Viktor Orbán, der in seinem Land nie „Migrantenlager“ wollte, bei Bedarf werde man die Grenzkontrollen aber verschärfen.

Auch zuvor ließ sich im Wahlkampf über kaum ein Thema trefflicher streiten als über Migration und Integration – vor allem in den TV-Debatten. Das Nachrichtenmagazin „Profil“ veröffentlichte zu Monatsbeginn eine Umfrage, wonach „Asyl und Zuwanderung“ an oberster Stelle (43 Prozent) bei der Frage steht, um welchen Bereich sich die Politik besonders kümmern muss. Ein Überblick darüber, was die Parteien dazu in ihren Wahlprogrammen versprechen.

Asylverfahren

Die Asylantragszahlen sind seit längerem rückläufig. Im Vorjahr wurden 59.232 Asylanträge gestellt, 2022 waren es noch 112.272. Im ersten Halbjahr 2024 wurden 13.479 Anträge verzeichnet. Die am stärksten vertretenen Länder sind weiter Syrien und Afghanistan, bis zu einem erstinstanzlichen Urteil vergehen durchschnittlich etwas mehr als fünf Monate.

Das fordern die Parteien

Die ÖVP wünscht sich künftig Asylzentren und Strafvollzug in Drittstaaten und weniger unrechtmäßige Aufenthalte. Letzteres fordert auch die SPÖ, wer sich aber engagiert und integriert, soll trotzdem Chancen auf ein Aufenthaltsrecht bekommen. Die FPÖ will das Asylrecht per Notgesetz aussetzen, Migrationszentren „auf anderen Kontinenten“ und jene, die in Österreich ankommen, gleich an der Grenze zurückweisen (bisher illegale Pushbacks). Die Grünen fordern die Möglichkeit eines Wechsels von Asyl auf Bleiberecht, wenn sich die Person gut integriert hat (und in einem Mangelberuf tätig ist) oder eine Lehre begonnen hat sowie einheitliche Obsorgeregelungen für unbegleitete Minderjährige. Neos fordern Vor-Ort-Hilfe in den Herkunftsländern und einheitliche Asyl-Standards. Für einen stärkeren Außengrenzschutz sprechen sich nahezu alle Parlamentsparteien aus.

Abschiebungen

12.900 Ausreisen wurden im Vorjahr verzeichnet, 6.910 Mal gingen die Betroffenen freiwillig, 5.990 Mal wurden diese gegen ihren Willen außer Landes gebracht. Die meisten zwangsweisen Abschiebungen betrafen 2023 Menschen aus der Slowakei (1.380) und Ungarn (635), als erstes Nicht-EU-Land führt Serbien mit 355 zwangsweisen Abschiebungen. In 1.240 Fällen wurden Personen in ein anderes EU-Land überstellt, in dem sie erstmals registriert wurden und das Asylverfahren deshalb auch dort geführt werden sollte (die sogenannte Dublin-Verordnung). Doch nicht alle Länder nehmen Personen zurück; Deutschland hatte zuletzt angekündigt, deutlich mehr Dublin-Fälle rückführen zu wollen. Menschen aus den Top-Asylantragsländern Syrien und Afghanistan dürfen aktuell nur in Ausnahmefällen dorthin abgeschoben werden, da ihnen dort (laut aktueller Rechtsprechung) Gefahr droht. Terroranschläge bzw. -pläne hatten zuletzt eine Debatte darüber ausgelöst, solche Abschiebungen durchzusetzen.

Das fordern die Parteien

Genau das will mittelfristig auch die ÖVP ermöglichen. Zudem werden Abschiebe- und Verfahrenszentren im Ausland und „Rückkehrverfahrenszentren in Österreich“ gefordert. Die SPÖ will ebenfalls unrechtmäßige Aufenthalte reduzieren, zudem sollen Asylwerber ohne Bleiberecht, die nicht abgeschoben werden können, in Drittstaaten gebracht werden. Die FPÖ will nicht nur Abschiebungen auch nach Syrien und Afghanistan sowie Ausreisezentren mit Anwesenheitspflicht, sondern eine „Remigration“ von kriminell gewordenen Nichtstaatsbürgern. Neos fordern schnellere Rückführungen durch Abkommen mit den Herkunftsstaaten, die an Zahlungen für Entwicklungszusammenarbeit gekoppelt werden sollen. Auch die Grünen wollen Rückführungen erleichtern, jedoch durch verstärkte Zusammenarbeit mit Herkunftsländern und dem Fördern legaler Arbeitsmigration.

Integration und Sozialleistungen

Die Integration neu Ankommender gilt als Herausforderung, überfüllte Schulklassen dank Familiennachzug und Brennpunktschulen in Städten mit einem hohen Anteil an Schülerinnen und Schülern ohne Staatsbürgerschaft sorgen für Schlagzeilen. Die Auszahlung von Mindestsicherung und anderen Sozialleistungen geschieht nicht Bundesländer-einheitlich, Medienberichte über eine Wiener Familie, die monatlich 4.600 Euro Mindestsicherung bezieht, hatten eine Debatte über unterschiedliche Regelungen zur Folge.

Das fordern die Parteien

Die ÖVP lässt Familiennachzug nun genauer kontrollieren, Sozialleistungen sollen künftig in Form von Sachleistungen und erst nach fünf Jahren rechtmäßigen Aufenthalts in voller Höhe erfolgen. Missbrauch will man schärfer sanktionieren. Die FPÖ will Familiennachzug stoppen, nur Sachleistungen ausgeben und Asyl zeitlich begrenzen. Asylberechtigte sollen auch keine Staatsbürgerschaft erhalten können. Die SPÖ will ein verpflichtendes Integrationsjahr sowie kleine Unterkünfte und Deutschkurse ab dem ersten Tag. Die Grünen fordern einen Zugang zum Arbeitsmarkt schon während des Asylverfahrens, der Zugang zur Staatsbürgerschaft soll erleichtert werden. Neos wollen eine Residenzpflicht für Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte, solange sie Mindestsicherung erhalten. Zudem werden verpflichtende und umfangreiche Werte- und Orientierungskurse gefordert.