Die Einladungen werden dieser Tage verschickt, die Vorbereitungen sind in vollem Gange. Am 22. Jänner 2025 wird Kardinal Christoph Schönborn 80 Jahre alt. Die Erzdiözese wird das Ereignis am Samstag davor mit einem großen Dankesfest feiern, das zugleich eine Abschiedsfeier ist, zu der neben dem Kirchenvolk und Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Kultur zahlreiche bischöfliche Mitbrüder aus dem In- und Ausland eingeladen sind. Denn der Kardinal zieht sich zurück. Das hat die Erzdiözese nun bekanntgegeben. Der Papst wird also den Amtsverzicht Schönborns annehmen.
Viel spricht dafür, dass rund um den Geburtstag auch endlich die Kardinalfrage geklärt sein wird. Die Zeit der Ungewissheit, der Spekulationen und Gerüchte, wer Schönborn als Erzbischof von Wien nachfolgen könnte, ist dann vorbei. Für den Kardinal, der in Rom längst seinen Rücktritt eingereicht hat (das Kirchenrecht schreibt Bischöfen vor, dem Papst nach Vollendung des 75. Lebensjahres ihren Amtsverzicht anzubieten). Und das Warten ist auch für so manchen Kirchenmann zu Ende, der Schönborn in Wien beerben will. Die eigenen Ambitionen offen zu artikulieren, widerspräche freilich dem guten Ton. Es käme im Vatikan nicht gut an. Für Bischofskandidaten gilt derselbe Spruch wie für ehrgeizige Purpurträger: „Wer als Papst ins Konklave geht, kommt als Kardinal wieder heraus.“ Demonstrative Demut ist also angesagt.
Mit Schönborns Emeritierung endet in Österreich eine Ära. Fast 30 Jahre lang, seit 1995, als der Dominikanermönch in der schwersten Krise der österreichischen Kirche den damaligen, des sexuellen Missbrauchs bezichtigten Kardinal Hans Hermann Groer als Erzbischof von Wien ablöste, steuerte der moderat Konservative die österreichische Kirche durch stürmische Gewässer. Dass der Papst vor fünf Jahren seinen Rücktritt nicht annahm, hat auch mit der bedeutsamen Rolle zu tun, die der Kardinal bei der von Papst Franziskus vor vier Jahren angestoßenen Weltsynode innehat.
368 Männer und Frauen, unter ihnen 272 Bischöfe, beraten in der letzten Runde der globalen Kirchenversammlung noch bis zum 27. Oktober über eine Erneuerung der katholischen Kirche von innen. Und der polyglotte, vom Papst als Theologe hochgeschätzte Schönborn soll maßgeblich dabei mithelfen, das spannungsgeladene Unterfangen zu einem möglichst harmonischen Ende zu bringen. Das wird nicht leicht sein. Vor allem in Europa sind die Erwartungen hoch: Frauendiakonat, mehr Macht für die Laien, und die Aufhebung des Pflichtzölibats sind nur einige der konfliktträchtigsten Forderungen. Der Kardinal hat die hohen Erwartungen auch schon gedämpft. Momentan sei keine Zeit für „spektakuläre Reformen“, meinte er, bevor er nach Rom reiste.
Enger Kandidatenkreis
Man darf davon ausgehen, dass Schönborn die Zeit am Tiber nutzen wird, um im Vatikan die Weichen für seine Nachfolge zu stellen. Das Jobprofil ist anspruchsvoll: Krisenfest soll der nächste Erzbischof von Wien sein, nicht zu konservativ, aber auch nicht zu liberal, geht es doch darum, beharrende und fortschrittliche Kräfte auszutarieren. Und dann, natürlich, sollte der Neue den pastoralen Anforderungen von Papst Franziskus genügen, dass der Hirte wie seine Herde zu riechen habe, also nicht in einem klerikalen Wolkenkuckucksheim lebt, sondern mit der Lebenswirklichkeit der Menschen vertraut ist. Und nicht zuletzt sollte er, um bösen Überraschungen vorzubeugen, im Idealfall bereits bischöfliche Erfahrung mitbringen. Das engt den Kandidatenkreis ein.
Als mögliche Nachfolger aus dem Episkopat immer wieder genannt werden der Tiroler Bischof Hermann Glettler, Wilhelm Krautwaschl (Graz), Benno Elbs (Feldkirch) und Ägidius Zsifkovics (Eisenstadt). Daneben kursieren andere Namen. Als episkopabel gelten Karl Wallner, Zisterzienserpater im Stift Heiligenkreuz, Markus Stephan Bugnyár, Rektor des Österreichischen Hospizes in Jerusalem und Michael Max, Rektor der Anima in Rom.
Auf wen immer die Wahl von Franziskus fallen wird: Ob er eines Tages aus den Händen des Papstes auch den Kardinalshut empfangen wird und damit in den Kreis der Papstwähler aufrückt, ist ungewiss. Der Argentinier Franziskus bevorzugt Bischöfe aus nichteuropäischen Ländern – auch um dem globalen Süden in der Weltkirche mehr Gewicht zu verschaffen. Deshalb gingen in den vergangenen Jahren klassische Kardinalsitze in Europa leer aus.