Bereits um halb elf Uhr Vormittag trifft Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger beim Würstelstand am Wiener Schwarzenbergplatz ein. Quasi zum Brunch gibt es Käsekrainer, zu der sich die Politikerin tapfer durch die besonders scharfen Chili-Mischungen probiert. Scharf würde sie in einer Regierung auch den Sparstift einsetzen, wie sie im Wahlpodcast „Scharf nachgefragt“ erklärt. Vergangene Regierungen hätten „keine wirklichen strukturellen Reformen zusammengebracht“ und in Hinblick auf künftige Koalitionsverhandlungen hält sie fest: „Ohne Reformen gibt's uns nicht.“
So sieht ein „Würstelstand-Brunch“ mit der NEOS-Chefin aus
Das pinke Versprechen lautet also, in einer Dreierkoalition den budgetären Spielverderber zu geben? Sie verspüre hier „viel Rückenwind“, denn die Bevölkerung habe verstanden, dass gespart werden muss. Meinl-Reisinger sei deshalb „erstaunt, wie wenig wahrhaftig die anderen Parteien hier an die Sache herangehen“. Es werde aber wohl zwei Legislaturperioden dauern, „um die öffentlichen Finanzen wieder zu gesunden“, „der Job des nächsten Finanzministers wird einer der brutalsten“. Ob sie diesen Job selbst übernehmen würde, will sie nicht sagen. „Das ist kein ‚Wünsch dir was‘-Konzert.“
Dass ihre deutsche Schwesterpartei FDP für ihre Arbeit in der Ampelkoalition bei den jüngsten Landtagswahlen abgestraft wurde, hält die Neos-Chefin nicht davon ab, in Österreich mitregieren zu wollen. Man könne die deutsche Konstellation nicht mit der hier möglichen vergleichen, „und so oder so wird Österreich Reformen brauchen. Die Frage ist: Bekommen wir's jetzt oder müssen wir es erst an die Wand fahren?“ Eingreifen will Meinl-Reisinger auch in den Föderalismus, der Bundesrat soll zudem abgeschafft werden. Die aktuelle sei eine sehr teure und „unverantwortliche“ Version des Föderalismus, es brauche Steuerautonomie für die Länder. „Nur, wer verantwortlich ist, das Geld auch einzunehmen, geht sorgsam dabei um, es auszugeben. Das tun die Landesfürsten derzeit nicht.“ Auch im Pensionssystem habe sich die Politik in den letzten Jahren „zukunftsvergessen“ gezeigt, „die Jungen sind verraten worden“.
Dass viele die pinke Handschrift in Wien, wo die Neos im einzigen Bundesland und mit der SPÖ regieren, kaum erkennen können und nicht erfüllte Versprechen orten, weist die Bundesparteichefin zurück. Man habe in Wien schon jetzt viel erreicht, „im Bildungsbereich geht wahnsinnig viel weiter“. Man arbeite sich aber eben nicht öffentlich am Koalitionspartner ab, „sondern wir machen Druck im Hintergrund und bringen Ergebnisse“.
Quasi zurückziehen musste die Partei hingegen eine Forderung, die für viele wenig liberal geklungen hatte: Meinl-Reisinger forderte ein 25.000 Euro schweres Chancenkonto vom Staat für alle 18-Jährigen im Land. Nach Kritik von außen findet sich der Vorstoß nun nicht im pinken Wahlprogramm. Ein politischer Fehlgriff? Nein, sagt die pinke Spitzenkandidatin, bevor sie sich über das nächste Stück scharfe Wurst traut. Es gehe darum, Generationengerechtigkeit herzustellen. „Aber ganz ehrlich: Das Geld ist nicht da.“ An der Idee solle dennoch festgehalten werden, wenn das Budget erst einmal in Ordnung gebracht wurde.
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In Sachen Migration hat Meinl-Reisinger vor Monaten eingeräumt, ihre Meinung geändert zu haben, es brauche einen schärferen Kurs. Das bedeute „sicher keine Festung“, sondern eine gemeinsame europäische Lösung. Es brauche „schärfere Kontrollen bei den Außengrenzen, eine deutliche Verstärkung des Grenzschutzes dort, rasche Verfahren an den EU-Außengrenzen“ sowie Rückführungen in Drittstaaten, zählt sie auf. Straffällige Asylwerber hätten hingegen ihr Schutzrecht verwirkt.
Auf der Straße werde sie oft erkannt, „das Allermeiste ist wahnsinnig nett, wenn mich jemand anspricht, auch viele Selfies“. Nur „ganz selten“ schimpfe jemand. Als Chefin bekam sie zuletzt die Rückmeldung, sie möge mehr loben. „Man vergisst sehr oft, einmal innezuhalten und einmal Danke zu sagen.“ Bevor sich Meinl-Reisinger zurück in die Mittagssonne kämpft, verrät sie noch, was sie „haß“, also so richtig wütend macht. „Unhöflichkeit, wenn zum Beispiel jemand großkotzig mit einer Kellnerin umgeht.“