193.000 Wählerinnen und Wähler wären Grund genug für einen harten Schlagabtausch gewesen. Laut SORA-Wählerstromanalyse wanderten diese bei der Nationalratswahl 2019 von der SPÖ zu den Grünen. Letztere zogen damit nicht nur wieder ins Parlament, sondern erstmals in eine Bundesregierung ein. Trotz oder vielleicht gerade wegen der Möglichkeit, Wähler zurückzugewinnen, verzichtete Andreas Babler in der ersten ORF-Wahldiskussion am Donnerstagabend aber darauf, Grünen-Bundessprecher Werner Kogler ähnlich hart anzugreifen wie zuletzt Herbert Kickl.
Die inhaltliche Nähe spiegelte sich auch in der Diskussion wider. Bei der Bekämpfung von Kinder- und Altersarmut waren sich SPÖ- und Grünen-Chef ebenso einig wie bei der Heranziehung von Erben und Millionären. Babler sparte nicht mit Spitzen gegen Kogler, beim „größten Regierungsversagen - der Teuerung - kann man die Grünen nicht auslassen“, so der rote Frontmann. Kogler konterte mit den Anpassungen bei den Sozialleistungen und setzte auch sonst zu feinen Attacken an. Etwa über die historische Verantwortung von SPÖ-Kanzlern, die Österreich in die Abhängigkeit von Putin getrieben hätten.
Zumindest zu Beginn ein wenig emotionaler diskutierten Kickl und Meinl-Reisinger. Beleidigende Gags in Richtung der NEOS-Chefin entschuldigte der Freiheitliche mit der Stimmung in Bierzelten oder auf anderen Bühnen. „Ich habe als Minister einen ganz anderen Stil gepflegt. Das Ergebnis war, dass es auch nicht gepasst hat.“ Klar machte Meinl-Reisinger wiederum, dass sie Kickl weder als Bundeskanzler, noch als Vizekanzler, Innenminister oder sonstiges Regierungsmitglied sehen will.
Eine punktuelle, sachliche Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen verteidigte Meinl-Reisinger. „Wenn ich dem Papier glauben darf, dann will die FPÖ Steuern senken“, meinte sie. Reste freiheitlicher Gesinnung ortet sie zudem im Einsatz der Blauen für den Datenschutz. Ernsthafte Ambitionen der NEOS für eine Entbürokratisierung bezweifelte Kickl wiederum, passten diese doch nicht mit den „Wahnsinnigkeiten“ der EU wie etwa dem „Klimakommunismus“ zusammen. Meinl-Reisinger wiederum sah keine Erfolge Kickls als einstiger Innenminister im Kampf gegen illegale Migration. Populismus sei in der Frage Lösungen zu finden „impotent“.