Im Leben muss man dauernd zwischen Aufrichtigkeit und Höflichkeit wählen.“ Der Satz stammt angeblich von Sophia Loren – und zuzutrauen wäre er der italienischen Filmikone, die demnächst 90 wird, durchaus. In der Schauspielerei wie der Politik sind es oft strategische Überlegungen, die darüber entscheiden, wie man anderen gegenüber auftritt: Ist er oder sie ein echter oder möglicher Partner, ein Konkurrent – oder vielleicht sogar ein Mittel für einen besonderen Zweck?

All das hat beim mit Sicherheit einprägsamsten Moment der ersten Elefantenrunde am Dienstagnachmittag im Salzburger Landestheater eine Rolle gespielt, als SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Babler die Aufforderung, etwas Positives oder womöglich sogar Nettes über Herbert Kickl zu sagen, dazu benutzte, eine so persönliche wie politische Frontalattacke gegen den Spitzenkandidaten der FPÖ zu reiten, der sämtliche Umfragen anführt.

„Ich halte Sie für unser Land brandgefährlich, und das sage ich Ihnen als Familienvater und Demokrat so ins Gesicht“: So wandte sich Babler direkt an Kickl. Und weiter: „Ich werde alle meine politische Energie dafür verwenden, dass Sie keine Verantwortung in diesem Land übertragen bekommen und unsere Demokratie gefährden.“

Kickl konterte kühl

Der unmittelbare Konter Kickls fiel dagegen ganz nach seiner Art betont nüchtern und kühl aus: „Entscheiden werden das die Wähler, Herr Babler, und nicht Sie.“

Die persönliche Attacke Bablers war keineswegs spontan. Das wäre auch deshalb seltsam, weil die Aufforderung, doch einmal etwas Positives beziehungsweise Freundliches über die politischen Mitbewerber zu sagen, fast schon zum Standardrepertoire politischer Rudel-Interviews in zugespitzten Wahlkampfzeiten geworden ist. Die Kandidaten sind also vorbereitet und haben sich ihre Antworten für die Mitbewerber wohl überlegt. Das wird auch in Bablers Team bestätigt. Nicht geplant und auch nicht vorbereitet war dagegen das Ausmaß an Emotion und persönlicher Ablehnung, das der SPÖ-Chef im Salzburger Landestheater an den Tag legte.

Es dauerte nur wenige Minuten, bis der – in Form wie Ton ungewöhnliche – Angriff als Video-Ausschnitt auf Twitter die Runde machte. Vor allem unter Bablers Anhängern fand die Tirade geradezu enthusiastische Zustimmung. Hier sehnen sich viele nach scharfer Abgrenzung gegenüber der FPÖ und Kickl – politisch wie persönlich. Entsprechend zufrieden war man in der Wiener SPÖ-Zentrale mit Bablers Kampfansage und dessen Resonanz für die eigene Klientel in den sozialen Medien.

Ein Affront als Strategie

Außerhalb des hart roten Kerns fielen die Reaktionen anders aus. Anhänger der FPÖ wie etwa der Kommunikationsberater Heimo Lepuschitz verstanden den An- als Untergriff. In der FPÖ wollte man sich aber am Tag danach nicht länger damit aufhalten. Die Menschen konnten sich ohnehin ihre eigene Meinung bilden, lautet hier der Tenor. Andere werden Bablers Schlussworte als grobe Unhöflichkeit empfunden haben.

Allerdings ist es dem auch intern unter Druck, weil in den Umfragen nur auf Platz drei stehenden SPÖ-Vorsitzenden nicht um diesen Teil der Stimmen gegangen. Babler will und bei jenen potenziellen SPÖ-Wählern zu punkten versuchen, die womöglich in Versuchung sind, am Wahltag bei Grünen, KPÖ, Bierpartei oder anderen linken Gruppen ihr Kreuz zu machen. Die entschiedene politische wie persönliche Ablehnung Kickls ist dabei für viele ein zentrales Wahlmotiv. Hier liegen die strategischen Gründe für seinen Frontalangriff.

Und die ansonsten üblichen Gebote des guten Benehmens, von Höflichkeit und Respekt? Die sind im Scheinwerferlicht des Intensivwahlkampfs, Sophia Loren hat es eingangs ganz wunderbar formuliert, in erster Linie Mittel zum Zweck. Die für Babler entscheidende Frage lautete am Dienstag zweifellos: Wie kann ich meine potenziellen Wählerinnen und Wähler am besten aktivieren? Seine Antwort: Eher nicht mit einem Austausch freundlicher Nettigkeiten, aber vielleicht mit einem Affront auf offener Bühne.