Der Bundeskanzler macht den Abschluss. Das Interview mit Karl Nehammer am Montagabend beschließt die Reihe der ORF-Sommergespräche, zu denen heuer ZiB 2-Moderator Martin Thür die Spitzenkandidaten aller Parlamentsparteien zum oberösterreichischen Traunsee geladen hat. Posierten Thür und SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Babler vergangene Woche noch mit Regenschirmen und verlegten das Gespräch wetterbedingt nach drinnen, kann das Kanzler-Interview am Montag wieder im Freien vor der malerischen Seekulisse stattfinden.
Eingangs konfrontiert Thür Nehammer mit dem ÖVP-Versprechen, dass Österreich kein Sparpaket brauche – anders, als von mehreren Wirtschaftsforschern gefordert. „Wir brauchen Anreize, dass in Österreich investiert wird“, betont der Kanzler, der sich am Montag betont ruhig und freundlich präsentiert. „Alle reden davon, wie der Kuchen verteilt wird, aber wir müssen den Kuchen größer machen.“
Budget jedes Jahr „von Null auf“ verhandeln
Einsparungen will er unter anderem erreichen, indem das Budget der einzelnen Ministerien Jahr für Jahr „von Null auf“ verhandelt werden soll. Auch wolle er das Fördersystem überdenken, „weg von struktureller Förderung hin zu Steuergutschriften, Garantien und Forschungsprämien.“ Laut kürzlich veröffentlichten Zahlen des Budgetdienstes des Parlaments ist das Volumen der Förderungen von 2017 bis 2022 um 35 Prozent gestiegen – bereinigt um temporäre Krisenmaßnahmen.
Angesprochen auf die Inflationsbekämpfung der türkis-grünen Bundesregierung zeigt sich Nehammer zufrieden und verweist vor allem auf die Abschaffung der Kalten Progression. Das „Leitmotiv“ sei gewesen, die Kaufkraft zu stärken, allerdings habe man etwa mittels Strompreisbremse auch in die Preise eingegriffen.
Nehammer will Steuerstufen ändern, um Vollzeit zu fördern
Entscheidend sei auch, dass mehr Menschen Vollzeit arbeiten, betont der Kanzler im ORF-Gespräch einmal öfter. Dazu wolle seine Partei einen Vollzeitbonus einführen, außerdem „müssen wir bei den oberen Steuertarifstufen was ändern“, sagt Nehammer. Wer Stunden aufstocke, habe aufgrund von hohen Steuern häufig zu geringe finanzielle Vorteile.
Heikles Thema in der türkis-grünen Koalition war stets die Migration. Der Bundeskanzler sieht dennoch Erfolge. Man habe die Anzahl der irregulären Übertritte an der ungarisch-burgenländischen Grenze massiv reduziert, außerdem habe Österreich „15 von 27 EU-Staaten“ davon überzeugt, dass man künftig Asylverfahren in sicheren Drittstaaten anstreben solle. Das wolle man weiterhin verfolgen, denn man müsse bei der Migration „Ordnung hineinbringen“, ansonsten würden radikale Kräfte profitieren.
Kein Aus von Dieselprivileg und Pendlerpauschale
Geeinigt haben sich Grüne und ÖVP kürzlich nach langem Ringen auf einen Klimaplan, in dem dargelegt wird, wie EU-Klimaziele erreicht werden sollen. Die Rede ist darin von einer Abschaffung klimaschädlicher Subventionen, was das konkret bedeutet, soll noch erarbeitet werden. Eine Abschaffung des Dieselprivilegs oder des Pendlerpauschale werde es unter ihm nicht geben, kündigt Nehammer an.
ÖVP liegt in Umfragen hinter FPÖ
Eine Mehrheit für die aktuelle Koalition dürfte es nach der Wahl nicht mehr geben. Der am Montag veröffentlichte APA-Wahltrend, der verschiedene Umfragen der vergangenen fünf Wochen berücksichtigt, sieht die ÖVP mit 23,7 Prozent auf dem zweiten Platz, ein deutliches Minus im Vergleich zu 2019. Auf dem ersten Platz liegen mit gut 27 Prozent die Freiheitlichen; sie führen seit Ende 2022 in den Umfragen. Die SPÖ, Mitte 2022 noch Umfragenerste, ist mittlerweile auf den dritten Platz zurückgefallen, im Wahltrend liegt sie aktuell bei 21,1 Prozent.
Eine Koalition mit der FPÖ unter Herbert Kickl schloss der Kanzler erneut aus. Der blaue Parteichef habe sich „total abgewandt von politischer Verantwortung“, mache den Menschen Angst und „lebt in Verschwörungstheorien“.
Die Analyse im ORF: