Zweieinhalb Jahre nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hat die Bundesregierung endlich auch die Sicherheitsdoktrin der Republik überarbeitet. Das 51 Seiten umfassende Papier, das der Kleinen Zeitung vorliegt, steht wenig überraschend ganz im Zeichen der geänderten Sicherheitslage am Kontinent. Die Sicherheitsstrategie erfülle den Zweck, die österreichische Bevölkerung „bestmöglich vor anhaltenden und absehbaren Risiken und Bedrohungen des nächsten Jahrzehnts zu schützen.“

Russland hat „Krieg nach Europa zurückgebracht“

Grundsätzlich wird festgehalten, dass sich die „nationale, europäische und internationale Sicherheitslage“, insbesondere seit dem völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine „fundamental verändert“ habe. Der Angriff habe „den Krieg nach Europa zurückgebracht“. Auf 51 Seiten werden auch andere Bedrohungsszenarien, vom Klimawandel über den Terrorismus, Islamismus, Links- und Rechtsextremismus, Spionage bis hin zu Cyberangriffen beleuchtet.

Kreml will Europa spalten

Das Verhältnis zu Russland habe sich mit den Ereignissen im Februar 2022 „fundamental geändert.“ Im Dokument wird daran erinnert, dass der Kreml „unmissverständliche nukleare Drohungen auch gegen Europa aus­gesprochen“ habe. Im Rahmen seiner hybriden Kriegsführung werde Russland Europa „weiterhin auch militärisch bedrohen“, den Versuch unternehmen, „europäische Demokratien zu destabilisieren“ sowie den „europäischen Integrationsprozess negativ zu beeinflussen“. Russlands Ziel sei es, „Europa zu spalten und ein gemeinsames Handeln – auch im Verbund mit den transatlantischen Partnern – zu unterbinden.“ Moskau setze außerdem „Energie- und Lebensmittelexporte gezielt als Waffe“ ein.

Risiko eines Atomkriegs „signifikant gestiegen“

An anderer Stelle wird das Bedrohungspotenzial für Europa – und damit auch Österreich – deutlicher angesprochen. Generell sei „das Risiko einer militärischen Eskalation bis hin zum Einsatz von Massenvernichtungswaffen signifikant gestiegen“. Und: „Auch ein militärischer Angriff auf die EU bzw. einen ihrer Mitgliedstaaten ist wahrscheinlicher geworden.“ Für Österreich ergebe sich daher die „Notwendigkeit, ein solches Szenario in den sicherheitspolitischen Planungen und Vorkehrungen zu berücksichtigen“. Ähnlich drastische Formulierungen waren auch schon in der „Sicherheitspolitischen Jahresvorschau“ des Verteidigungsministeriums zu Jahresbeginn zu lesen gewesen.

Österreich will sich mit Nato enger verzahnen

Wenig Neues enthält das Nato-Kapitel – Österreich kooperiert bekanntlich seit 1995 im Zuge der Partnerschaft für den Frieden (PFP) eng mit der Allianz, bis hin zu gemeinsamen Einsätzen im Kosovo. „Die Nato bleibt das Fundament der kollektiven Verteidigung ihrer Mitglieder.“ Verwiesen wird auf die enge Kooperation zwischen EU und Nato. „Diese enge Kooperation zwischen EU und NATO sehen wir als Beitrag zur transatlantischen wie auch zur europäischen Sicherheit.“ Die 2022 überarbeitete PFP-Vereinbarung zwischen Wien und Brüssel liefere die „Basis, den politischen Dialog auszubauen und die praktische militärische Zusammenarbeit zu vertiefen.“ Österreich werde sich „verstärkt an zivilen und militärischen Kooperationsformaten, Übungen und Platt­formen der Nato-Partnerschaft für den Frieden, insbesondere zur Gewährleistung der Interoperabilität der österreichischen Streitkräfte“ beteiligen. Die Neutralität, die explizit in dem Papier hervorgehoben wird, bleibt davon unberührt.

Bekenntnis zur EU-Beistandsklausel

Im EU-Kapitel wird daran erinnert, dass die „Sicherheit der Europäischen Union die Grundlage für die Sicherheit Österreichs“ bilde. Die EU müsse „in zunehmendem Maße in der Lage sein, mehr Verantwortung für ihre Sicherheit und Verteidigung zu übernehmen.“ Auf Seite 26 wird ein Bekenntnis zu der seit 2009 existierenden militärischen EU-Beistandsklausel abgegeben. „Europäische Solidarität ist keine Einbahnstraße; sie beruht auf Vertrauen und Gegenseitigkeit.“ Das Bekenntnis umfasse „auch etwaige Hilfe und Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 42 Absatz 7 EUV im Einklang mit der österreichischen Bundesverfassung. Solche Solidaritätsbeiträge kann Österreich auch von seinen EU-Partnern erwarten.“ Will heißen: Falls ein EU-Land militärisch angegriffen wird, steht Österreich unterstützend zur Seite. Sollte Österreich angegriffen werden, erwartet sich die Republik, dass die anderen EU-Partner Österreich zu Hilfe kommen.