Eine solche Abrechnung mit SPÖ-Chef Andreas Babler sucht ihresgleichen, da waren die Turbulenzen um den Linzer Bürgermeister vergleichsweise harmlos. In einem eineinhalb Seiten langen Brief, der der Kleinen Zeitung vorliegt, rechnet die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures gnadenlos mit dem Wahlprogramm des roten Spitzenkandidaten ab. Das Schreiben wurde anlässlich der internen Debatte über die Programmatik verfasst – deshalb, weil die Bundespartei um eine schriftliche Stellungnahme gebeten hatte. Der Brief fand – nicht ganz zufällig – den Weg in die Öffentlichkeit.
Die Brisanz des Briefes liegt darin, dass Bures dem einflussreichen Realo-Flügel der Wiener SPÖ im Umfeld von Bürgermeister Michael Ludwig angehört. Der zeitliche Zusammenfall der Kritik an Bablers falscher Prioritätensetzung mit der Causa Luger sei zufällig, wird beteuert. Fünf Wochen vor dem Wahlsonntag ist Babler heftigstem parteiinternem Gegenwind ausgesetzt.
In dem Papier spricht Bures wenig wohlwollend von einem „Kompendium vielfältigster, durchaus wohlklingender Forderungen“, die aber „zu wenig Fokus hinsichtlich realpolitischer Umsetzung“ aufweisen. Sie orte „zu wenig Schwerpunktsetzungen und Priorisierungen“, gleichzeitig „verliere sich (die Programmatik) in relativ unbedeutenden Bereichen in liebevollen Details“. So werden „Einsparungen in der öffentlichen Verwaltung durch eine Verkleinerung der Regierungskabinette“ in Aussicht gestellt, im selben Atemzug werden „die Planstellen der Finanzverwaltung um zehn Prozent erhöht“. Im Forschungsbereich will Babler mehr Geld für die Grundlagenforschung, in der Landwirtschaft soll der Anteil der Bio-Imker erhöht werden.
Vernichtend die Gesamtbilanz: Dass Babler auf Steuererhöhungen setze und gleichzeitig kostenlose staatliche Leistungen verspreche, lasse angesichts der schwierigen budgetären Lage „den Verdacht der Unernsthaftigkeit“ entstehen. Generell wirft ihm Bures einen Alleingang bei der Programmerstellung vor, es fehle „eine fundamentale demokratische Legitimation“.
Babler will noch nicht Stellung beziehen
SPÖ-Chef Andreas Babler wollte am Samstag dazu nicht Stellung beziehen. Er werde dies aber „zeitgerecht ausführlich“ tun. Jedenfalls ortet er „großen Unmut“ über „diese Aktion“, „von der Gewerkschaft, über die Bundesländer bis nach Wien“. Bures habe diese Mail aber nicht an die Medien geschrieben, sondern an ein internes Gremium, so Babler. Daher werde er dazu vorerst öffentlich nichts sagen, sondern das vorher intern besprechen. Das Wahlprogramm selbst soll der Öffentlichkeit Anfang September präsentiert werden. Unterstützung bekam der SPÖ-Vorsitzende von Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim. Das Wahlprogramm werde jene Themen und Forderungen beinhalten, „mit denen Andi Babler das Leben der Österreicher*innen endlich wieder besser machen wird“. Außerdem befinde es sich „noch in Diskussion“.