Es ist Dienstagnachmittag, als ein Wohnwagen die Burg Oberkapfenberg erreicht. Darauf, in roter Schrift: „Mit Herz und Hirn“. Drin: Andreas Babler. Der SPÖ-Chef tourt seit Wochen durch Österreich, Dienstag ist Station in Kapfenberg. Die Kleine Zeitung ist vor Ort, zuerst bei einer Pressekonferenz, danach beim Auftritt vor rund 400 Interessierten. Die Rede ist für 18 Uhr angesetzt.
Dazwischen zieht sich Babler zurück, „um sich frisch zu machen“, wie erläutert wird. Doch als er wiederkommt, wirkt Babler weniger frisch als davor, eher irritiert, nachdenklich. Mittlerweile ist klar, warum. Um 17.17 Uhr veröffentlichen die „Oberösterreichischen Nachrichten“ jenen Artikel, in dem der Linzer Bürgermeister öffentlich eingesteht, gelogen zu haben. Es ist eine Linzer Affäre. Doch Klaus Luger ist nicht bereit, Konsequenzen zu ziehen. Politische Reaktionen werde er „zur Kenntnis nehmen“, schreibt Luger. Damit ist es Bablers Problem.
Eine Vorwarnung aus Linz gibt es nicht. Zeit wäre gewesen, da Luger schon Dienstagmittag von den OÖN mit den verhängnisvollen Chats konfrontiert wurde. Doch das Verhältnis der beiden Bürgermeister ist nicht das beste. Freundlich formuliert. Luger war einer der ersten roten Granden, der sich für Hans Peter Doskozil aussprach. Babler kritisierte er mehrfach. Eine Art Versöhnungstreffen vor einem Jahr in Wien dürfte zwar professionell, aber doch unterkühlt verlaufen sein.
Der Mittwoch ist der Tag der Gespräche, der Hintergrundgespräche. Für Babler ist Luger nicht zu erreichen, doch Bundes- und Landesparteien kommunizieren. Zudem versuchen oberösterreichische Verbündete des Vorsitzenden, Druck aufzubauen. In Linz und Umgebung ist der seit elf Jahren amtierende Luger längst nicht unumstritten und sein Abschied auch beschlossene Sache. Aber eben nicht jetzt. Nicht so.
Kommentar
Dafür gibt es auch einen praktischen Grund. Denn die Gemeindeordnung verlangt nun eine Neuwahl. Bei einem Rückzug 2025 hätte die SPÖ Luger ersetzen können, der Nachfolger (Planungsstadtrat Dietmar Prammer) sich erst 2027 der Wahl stellen müssen. In diese Richtung geht die Vereinbarung der Linzer SPÖ von Mittwochabend. Auch innerparteiliche Kritiker stimmen für den Kompromiss. Er wird nicht haltbar sein.
Donnerstagvormittag tagt das Präsidium der SPÖ online. Auch OÖ-Chef Michael Lindner ist zugeschaltet. Die Richtung ist klar, ein Rückzug aus allen Parteiämtern alternativlos. Was dann passiert, lässt sich nicht restlos klären. Die Entscheidung ist gefallen, aber erst gegen halb drei Uhr fordert Babler Luger öffentlich zum Rücktritt auf und droht mit dem Schiedsgericht. Eine halbe Stunde später kritisiert Lindner, eine wichtige Schaltzentrale in diesen Stunden, Luger in einer Aussendung zwar massiv („Glaubwürdigkeit der Sozialdemokratie schwer beschädigt“), spricht sich aber für ihn aus. 30 Minuten später gibt Luger seinen Rückzug von den Parteiämtern bekannt. Bürgermeister will er bleiben.
Entscheidung am Donnerstagabend
Die Kommunikation zwischen Linz und Wien, zwischen Stadt- und Landespartei, zwischen Luger und allen anderen Funktionären dürfte da suboptimal gewesen sein. Das bietet nun wiederum allen Beteiligten die Möglichkeit, die Entscheidungshoheit für sich zu reklamieren. Luger will Lindner Donnerstagvormittag darüber informiert haben, dass er die Parteiämter niederlegen werde. Da jedoch tagt gerade das Online-Präsidium – mit Lindner, der an diesem Tag mit Spitzenkandidatin Eva-Maria Holzleitner durch Oberösterreich tourt.
Am Donnerstagabend ist auch Babler wieder auf einem Tour-Stopp, dieses Mal im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Er redet über eine Stunde, spricht über sein Programm – und über Linz. Dabei fordert er Luger auch zum Abschied als Bürgermeister auf. Zur selben Zeit wird in Linz wieder getagt. Diesmal wird auch an die Bundespartei berichtet. Ein kompletter Rücktritt zeichnet sich ab. Die Bestätigung kommt Freitagfrüh. Es ist kurz vor 9 Uhr.