Wirtschaft und Steuern waren ein bemerkenswerter Schwerpunkt beim ORF-Sommergespräch von FPÖ-Spitzenkandidat Herbert Kickl am Traunsee. Erstaunlich deshalb, weil die Freiheitlichen wirtschaftspolitisch auf einem verhältnismäßig liberalen Kurs bleiben, jedenfalls wahlkampftechnisch und rhetorisch – und das, obwohl Kickl selbst wirtschaftspolitisch eher links verortet wurde. In dem Interview erteilte der FPÖ-Chef Plänen für neue Steuern jedenfalls eine kategorische Absage und listete eine Reihe von Maßnahmen auf, mit denen er den Wirtschaftsstandort wieder nach vorne bringen will.

Unter anderem will die FPÖ die Lohnnebenkosten wie die Körperschaftssteuer senken, die Menschen länger in Arbeit halten und Anreize für Vollzeit setzen und insgesamt wieder eine „Leistungskultur“ im Land etablieren. Förderungen und Ausgaben möchte Kickl durchforsten sowie die Mindestsicherung nur auf Staatsbürger begrenzen. Zudem will Kickl aus dem europäischen Raketenschutzsystem Skyshield aussteigen.

Den massiven Mangel an Fachkräften will Kickl über qualifizierte Zuwanderung aus anderen EU-Ländern beheben – und nicht, wie der FPÖ-Chef die aktuelle Situation schildert, über eine weitgehend ungesteuerte Migration aus Drittstaaten über den Umweg des Asylsystems. Wenn es wieder attraktiver sei zu arbeiten, würde Österreich auch leistungswillige Fachkräfte aus anderen EU-Staaten anziehen.

Stimmt das?

Einkommen nur ein Faktor unter mehreren

Tatsächlich gibt es laut Eurostat in der Union mit Stand April 2024 rund 13 Millionen Arbeitslose. In Österreich gab es im Juli 340.000 Arbeitslose und 95.000 offene Stellen, wobei der Bedarf an qualifizierten Fachkräften sogar bei rund 200.000 liegt – und wie AMS-Vorstand Johannes Kopf unmittelbar via „X“ auf Kickl reagierte: „Die Arbeitskräfte, die uns wirklich fehlen, fehlen in ganz Europa.“ Und das hat viel mit der Alterung zu tun.

Für Helmut Mahringer, Arbeitsmarktexperte des Wifo, ist der Vorschlag Kickls allerdings zu kurz gedacht. Die Chance auf ein höheres Einkommen sei zwar ein Argument bei Arbeitsmigration, andere wie etwa die Wohnkosten, soziale Netzwerke oder Arbeitsbedingungen zählen ebenfalls. Zudem verzeichne Österreich bereits eine hohe Zuwanderung aus EU-Staaten, insbesondere aus Deutschland, Ungarn, Slowakei und anderen Staaten Ost- und Südosteuropas.

Abhilfe beim Fachkräftemangel schafft laut Mahringer deshalb nur eine umfassende Strategie. Dazu zählt, das vorhandene Potenzial an Arbeitskraft einerseits durch längeres Arbeiten und mehr Vollzeit, andererseits durch Qualifizierung besser auszuschöpfen. Und, ganz im Sinne Kickls, den Standort zu attraktivieren und gezielt nach Arbeitskräften zu suchen – in und außerhalb der EU. Höhere Gehälter sind dabei ein Faktor, aber eben nicht unbedingt der Wichtigste und schon gar nicht der einzige.