Politik ist ein Teamsport: Starke Figuren an der Spitze sind wichtig, gerade in einer Zeit, in der Komplexität dadurch reduziert wird, dass fast alles auf Personen und Persönliches zugeschnitten und damit immer auch reduziert wird. Doch sogar noch hinter den strahlendsten Spitzenkandidaten steht in den Parteien ein Team an Flügelspielern und Helfern, das dafür sorgt, die eigenen Stärken besser zur Geltung zu bringen und die Schwächen, so gut das eben geht, zumindest zu kaschieren. Wer sind also diese Wasserträger, auf die die Parteien bis zum 29. September setzen, um Stamm- und potenzielle Wechselwähler an die Urnen zu bringen?
In der ÖVP ist mit dem Abgang von Sebastian Kurz die kurze Ära eines Sonnenkönigs auch schon wieder Geschichte. Die Partei hat sich erstaunlich geschlossen hinter Kanzler und Spitzenkandidat Karl Nehammer versammelt, doch ein spürbarer Kanzlerbonus ist derzeit nicht in Sicht. Auch beim jüngsten APA/OGM-Vertrauensindex liegt Nehammer mit einem Wert von minus 27 lediglich im unteren Mittelfeld. Am besten von der türkisen Regierungsmannschaft schneiden Wirtschaftsminister Martin Kocher (plus drei), Finanzminister Magnus Brunner (minus drei) und Außenminister Alexander Schallenberg (minus acht) ab. Der Erste wird an die Spitze der Nationalbank, der Zweite in die neue EUKommission wechseln und der Dritte ist zwar ein erfolgreicher Karrierediplomat, aber kein klassischer Parteipolitiker. Im Wahlkampf werden sie keine Rolle spielen, Schallenberg nahm auch nicht an der ÖVP-Pressekonferenz am Freitag zur „inneren und äußeren Sicherheit“ teil, obwohl es auch sein Ressort betrifft.
Die Kanzlerpartei setzt auf andere Gesichter zur Wählermobilisierung in für sie wichtigen Bereichen: Klubchef August Wöginger versteht es mit seiner bodenständigen Rhetorik, die Funktionäre ins Laufen zu bringen. Die Motivation der eigenen Leute in Ländern und Gemeinden ist für jede Partei Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Wahlkampf. Zudem deckt der 49-Jährige als Chef des Arbeitnehmerbunds als einer der wenigen Türkisen sozialpolitische Themen ab. Und als Oberösterreicher kommt er noch dazu aus einem für den Ausgang des Triells zwischen ÖVP, FPÖ und SPÖ entscheidenden Bundesland.
Plakolm als türkise Zukunftshoffnung
Dort ist auch Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm politisch stark verwurzelt. Die 29- jährige Linzerin gilt als jugendliche Zukunftshoffnung der ÖVP, die nach dem Exodus der Kurz-Vertrauten wieder älter und grauer geworden ist. Sie soll dafür sorgen, dass die Jungen am Land nicht zur Gänze zur FPÖ abwandern.
Nicht zum inneren Kreis der Nehammer-ÖVP gehört Europaministerin Karoline Edtstadler, trotzdem ist die 43-jährige Salzburgerin wichtig: So viele fachlich versierte, rhetorisch gewandte, emanzipierte und mit politischem Instinkt ausgestattete Frauen hat die ÖVP nicht.
Karner und Tanner kämpfen um Niederösterreich
Will die ÖVP zumindest Platz zwei schaffen, braucht es in Niederösterreich ein starkes Ergebnis: Dafür sollen Innenminister Gerhard Karner und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner sorgen, die für das zentrale Thema Sicherheit in die Auslage gestellt werden. Gerade in Niederösterreich setzt die ÖVP auch auf die starke Verwurzelung. Sie stellt in fast 80 Prozent der 573 Gemeinden den Bürgermeister.
Uneinige SPÖ-Landeshauptmänner
In der SPÖ sind die bekanntesten Köpfe neben Spitzenkandidat Andreas Babler die roten Landeshauptleute Michael Ludwig (Wien), Peter Kaiser (Kärnten) und Hans Peter Doskozil (Burgenland). Doch diese ziehen selten am selben Strick in dieselbe Richtung. Die Politikerin mit den höchsten Vertrauenswerten ist seit langem Doris Bures, doch die Zweite Nationalratspräsidentin und Nummer zwei auf der SPÖ-Bundesliste hält sich lieber im Hintergrund.
Dritter der Bundesliste ist der wortmächtige steirische Gewerkschafter Josef Muchitsch. Er soll vor allem die Hackler von einem Kreuz für die SPÖ überzeugen. Klubchef Philip Kucher muss in seinem Heimatbundesland dafür sorgen, dass Kärnten wieder rot wird. Ähnlich auch Eva-Maria Holzleitner, SPÖ-Frauenchefin und Spitzenkandidatin in Oberösterreich, das zumeist mehrheitlich SPÖ wählte, sich ab 2017 aber türkis einfärbte. Holzleitner tourt dieser Tage bereits intensiv durch ihr Bundesland („Erfrischend für OÖ“), das für diese Wahl zum wichtigen Battleground wird. Die beiden einstigen Großparteien werden auch noch Personenkomitees präsentieren.
Von allen Parteien ist wohl die FPÖ am wenigsten auf Sidekicks angewiesen: Hier tragen der Themenmix aus Unzufriedenheit und Migrationssorgen den Höhenflug und Spitzenkandidat Herbert Kickl gibt dem Unmut ein Gesicht, an dem weder Medien noch Konkurrenten vorbeikommen. Dabei war es der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer, der bei der Bundespräsidentenwahl 2016 mit 35 Prozent und Platz eins das bisher beste blaue Wahlergebnis schaffte. Doch Hofer kandidiert nur im kleinsten Bundesland, dem Burgenland.
Kickl-Vertraute auf der Bundesliste
Auf der Bundesliste finden sich vor allem enge Vertraute Kickls, aber keine Wählermagneten. Ob das Lisa Gubik, das Gesicht von FPÖ-TV, auf Platz acht oder Ex-ORF-Moderatorin Marie Christine Giuliani auf Platz 14 der Bundesliste sein können, ist schon wahrscheinlicher, aber keineswegs gewiss: Die FPÖ vertraut auf die Kraft ihrer Themen und auf Kickl als deren Verkörperung.
D ie Grünen, die vor vier Jahren noch mit der OneMan-Show Werner Kogler durchs Land zogen, sind diesmal breiter aufgestellt. Die Partei schickt alle grünen Ministerinnen und Minister auf Tour durch Österreich. Leonore Gewessler geht auf „Klima-Tour“, Justizministerin Alma Zadić wird Hass und Hetze thematisieren, Sozialminister Johannes Rauch lädt zu Kochevents, um Tierschutz und Kindergrundsicherung zu bewerben.
Die Auslagerung ist einerseits inhaltlich naheliegend, um von dem Erreichten der vergangenen fünf Jahre immer und immer wieder zu erzählen, andererseits ist es auch eine zeitliche Notwendigkeit, da Kogler ab September stark von TV-Duellen und Elefantenrunden beansprucht sein wird.
Im Jahr 2019 hatten die Grünen aber auch indirekte Wahlkampfhilfe. Die Klimabewegung Fridays For Future mit Greta Thunberg an der Spitze war auf ihrem Höhepunkt und Klimapolitik wurde zum meist diskutierten Thema im Wahlkampf. Dieser Rückenwind fehlt den Grünen heuer, auch wenn das Thema nicht weniger dringlich geworden ist.
Neos setzen auf kleinteilige Events
Bei den Neos ist Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger seit Anfang August unterwegs durch alle Bundesländer, 16 Stopps umfasst die Tour. Darüber hinaus setzen die Pinken – gezwungenermaßen – auf kleinteilige Events wie Stammtische und Business-Lunchs, die bei lokal stark verankerten Parteien zum Standard gehören.
Auffallend aktiv sind im Wahlkampf die Unos, die Plattform der pinken Unternehmer. Der Gastronom Sepp Schellhorn hat zwar in seiner Politikpause das Mandat als Bundessprecher der Unos zurückgelegt, dennoch kommt auch ihm eine zentrale Rolle zu. Sein Kochaccount auf Instagram („Sepp, was machst du?“) verfügt über 400.000 Follower, immerhin ein Zehntel davon hat er auch zu einem Klick auf seinen Politikkanal überzeugen können. Inwiefern Social-Media-Prominenz einen Wahlerfolg begünstigen kann, bleibt aber abzuwarten.