Die ÖVP hat 74 Tage vor der Nationalratswahl das Sicherheitskapitel ihres Wahlprogramms vorgestellt. Aus Sicht von Parteichef und Kanzler Karl Nehammer ist die Volkspartei „die einzige Kraft, die sich kompromisslos zur Sicherheit bekennt“, wie er auf einer Pressekonferenz am Freitag sagte. Und Nehammer machte klar: Die Ausweitung der Ermittlungsmöglichkeiten für Staatsschutz, Nachrichtendienste sowie die Kriminalpolizei ist für die ÖVP eine Koalitionsbedingung.

„Mit mir als Kanzler werden Befugnisse kommen, die es braucht, um wirksam gegen Extremismus und Terror vorzugehen“, sagte Nehammer. Und weiter: „Ein Regierungsprogramm ohne technische Mittel wird es mit mir nicht geben.“ Dabei geht es um die Überwachungsmöglichkeit von Messenger-Diensten wie WhatsApp und Telegram, die unter Türkis-Blau eingeführt worden war, wenig später aber vom Verfassungsgerichtshof gekippt wurde. Eine Nachfolgeregelung für den Bundestrojaner kam in dieser Legislaturperiode nicht.

FPÖ als Hauptadressat der ÖVP in Sachen Sicherheit

Innenminister Gerhard Karner, der vor Verteidigungsministerin Klaudia Tanner als Nummer eins auf der ÖVP-Liste in Niederösterreich kandidiert, ergänzte: „Die Polizei hat überhaupt kein Verständnis, dass ein solches Vorhaben von allen anderen Parteien abgelehnt wird.“ Die FPÖ, in deren Regierungszeit der Bundestrojaner beschlossen wurde, lehnt diesen mittlerweile als „Grundrechtseinschränkung“ ab, SPÖ und Grüne zeigten sich zuletzt nicht mehr kategorisch dagegen, wenn eine verfassungskonforme Lösung gefunden werden kann.

Die Freiheitlichen waren bei der Pressekonferenz von Nehammer, Karner und Tanner Hauptadressat türkiser Kritik. Karner warf seinem Vorgänger, FPÖ-Chef Herbert Kickl, zum wiederholten Mal vor, den Verfassungsschutz zerstört zu haben. Unter anderem deshalb werde er auch nicht der Aufforderung der Oppositionsparteien sowie auch der Grünen folgen, die Tätigkeit des Staatsschutzes (DSN) im Zuge des mutmaßlich vereitelten Terrorangriffs von der Unabhängigen Kontrollkommission zu überprüfen.

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP)
Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) © APA / Helmut Fohringer

„Vier andere Parteien wollen den Staatsschutz aus parteipolitischen Gründen schlechtreden, manche wollen ihn kaputt machen“, sagte Karner. Gegen diesen Vorwurf des Ministers hatten sich alle anderen Parteien verwehrt und darauf hingewiesen, dass die Kontrollkommission unabhängig agiere. Vorsitzende des Gremiums, das bereits die Terrortat in Wien im November 2020 überprüft hatte, ist die Strafrechtlerin Ingeborg Zerbes von der Universität Wien.

Tanner wiegelte die Forderung der Opposition mit einem juristischen Argument ab: Der Antrag ziele auch auf das Zusammenwirken der DSN mit den militärischen Diensten ab, die jedoch nicht von der Prüfkompetenz der Kommission erfasst seien. „Es ist rechtlich nicht durchführbar“, sagte die Verteidigungsministerin. Auf Nachfrage, welcher Dienst wann genau Informationen zu einem möglicherweise bevorstehenden Attentat in Wien erhielt, ging Innenminister Karner nicht ein.

Gemeinsam mit der Pressekonferenz schickte die ÖVP auch ein dreiseitiges Papier mit sämtlichen Forderungen im Bereich innere und äußere Sicherheit aus. Es ist ein Vorbote des Wahlprogramms, das die Türkisen am 7. September präsentieren wollen. Im Wesentlichen ist es eine Zusammenstellung jener Ideen, die entweder bereits im „Österreich-Plan“ von Karl Nehammer enthalten waren, oder seither von der ÖVP kommuniziert wurden, darunter etwa die Herabsetzung der Strafmündigkeit, eine Wartefrist für die Sozialhilfe, Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien und mehr Soldaten.