Nach Maria Himmelfahrt mündet der Wahlkampf in seine heiße Phase. Während derzeit die Spitzenkandidaten im Land unterwegs sind, verlassen sie im September kaum die Bundeshauptstadt. Der Grund: Ein TV-Event jagt das andere.
Neben Einzelinterviews und Elefantenrunden sind in der Zwischenzeit alle Sender dazu übergegangen, die Kandidaten zu Duellen einzuladen. Nach dem Motto „jede:r gegen jede:n“ treten im ORF an fünf Abenden die Spitzenkandidaten zu je 50-minütigen Konfrontationen aufeinander, an jedem Abend sind jeweils zwei Paarungen angesetzt.
Bisher immer Erst- und Zweitplatzierte
Normalerweise orientiert sich der ORF bei der Abfolge von Politikerauftritten streng am Wahlergebnis. So beginnen die Sommergespräche stets mit der kleinsten Partei und enden mit der größten Partei. In den letzten zehn Jahren traten im allerletzten TV-Duell jeweils die Spitzenkandidaten der größten und der zweitgrößten Partei an: Faymann gegen Spindelegger (2013), Kern gegen Kurz (2017), Kurz gegen Rendi-Wagner (2019).
Nehammer gegen Kickl zur besten Sendezeit
Vor einigen Wochen gab es bereits Hinweise, dass der ORF mit der Tradition brechen würde - wir haben darüber berichtet -, nun ist es fix: Sechs Tage vor dem Wahlsonntag, also in der heißen Endphase, treffen um 21.05 Uhr nicht der Erst- und der Zweitplatzierte, also ÖVP-Chef Nehammer und SPÖ-Chef Andreas Babler, sondern Nehammer und der Drittplatzierte, FPÖ-Chef Herbert Kickl, aufeinander. Nehammer und Babler matchen sich bereits am 12. September.
Dreierduelle abgelehnt
Nehammer gegen Kickl - ein solches Duell entspricht genau der ÖVP-Strategie, die den Wahlkampf zu einer Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse, Vernunft und Unvernunft, Hausverstand und Hetze hochstilisieren will. Die ÖVP-Parteizentrale hat denn auch den Wunsch von Medien über die Organisation eines Triells (Nehammer, Babler, Kickl) abgelehnt und stattdessen die Idee in den Raum geworfen, Nehammer und Kickl aufeinanderprallen zu lassen.
SPÖ-Mediensprecherin Muna Duzdar zeigt sich im Gespräch mit der Kleinen Zeitung sehr verärgert. Bisher habe sich die Abfolge und Zusammensetzung von TV-Duellen vor einer Wahl immer an der Parteistärke orientiert. „Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, warum der ORF diesmal davon abgeht.“ Andi Babler nehme das sportlich. Er werde die Menschen mit seinen Ideen überzeugen. „Der ORF als öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der zur Unabhängigkeit verpflichtet ist, muss sich überlegen, wie er diese Entscheidung rechtfertigt. Es ist mehr als seltsam, wenn plötzlich die bisherige Praxis geändert wird.“ Aus dem ORF gibt es keine offizielle Stellungnahme, es heißt lediglich hinter vorgehaltener Hand, die Entscheidung basiere auf „journalistischen Kriterien.“