Die Liste der Forderungen, die ÖVP, SPÖ und FPÖ im Nachklang des vereitelten Anschlags auf ein Taylor-Swift-Konzert in Wien formuliert haben, ist mittlerweile so lang, dass sie locker für eine eigene Sondersitzung des Nationalrats reichen würde. Noch hat keine Partei eine solche gefordert, der (vertrauliche) Nationale Sicherheitsrat mit allen Parteien tagte aber erst Dienstagabend im Bundeskanzleramt.

Im Fall der schon länger diskutierten Ausweitung von Überwachungsmöglichkeiten auf Messenger-Dienste wie Whatsapp und Telegram kündigte Innenminister Gerhard Karner an, den zwischen ÖVP und Grünen umstrittenen Entwurf „sehr rasch“ in Begutachtung zu schicken. Die Opposition ist geschlossen gegen eine Rückkehr des Staatstrojaners, hat ihrerseits aber auch politische Forderungen formuliert.

Was aus dem Anti-Terror-Akt 2021 wurde

Die FPÖ sowie die SPÖ-Landesparteien aus Niederösterreich und dem Burgenland sprachen sich für eine Art Verbotsgesetz für den radikalen Islam analog zur NS-Ideologie aus, wobei die Forderungen der FPÖ noch weiterführender sind. Parteichef Herbert Kickl will auch den größten muslimischen Moscheeverband ATIB verbieten, der in enger Verbindung zur türkischen Religionsbehörde steht.

Die ÖVP war bisher zurückhaltend. Das Innenministerium verwies am Wochenende auf bereits existierende umfangreiche gesetzliche Bestimmungen. Konkret wurde der Paragraf 247b des Strafgesetzbuchs erwähnt, der nach dem Terrorakt 2020 in Wien beschlossen wurde und sich gegen „religiös motivierte extremistische Verbindungen“ richtet. Dieser Passus ermögliche es, „bereits zu einem frühen Zeitpunkt Maßnahmen zu setzen“, hieß es vom Innenministerium. Ähnlich das Justizressort: Die Forderung oder Propagierung eines Kalifats wäre durch diesen Paragrafen strafbar.

In drei Jahren seit Inkrafttreten hat es allerdings noch keine einzige Verurteilung und nicht einmal eine Anklage nach dem § 247b gegeben, wie das Justizministerium bestätigt. In bisher vier Fällen war ermittelt worden oder wird noch ermittelt. Überraschend ist das nicht. Im Zuge der Debatten zum Anti-Terror-Paket 2021 war diese Entwicklung von Fachleuten erwartet worden. Die Kritik am § 247b kam damals aus allen Richtungen. Nicht nur Richterinnen, Anwälte und Gerichte, sondern auch die Staatsanwälte lehnten den Passus als „entbehrlich“ ab.

Zerbes: „Strafrecht ist gesättigt“

Auf der einen Seite sahen die Rechtsexperten die strafrechtlichen Ziele durch andere Bestimmungen abgedeckt. Andererseits wurde aber auch die unkonkrete und missbrauchsanfällige Formulierung kritisiert.

Die Lücke, die man 2021 schließen wollte, zielte auf salafistische Bewegungen und ihre ausschließlich religiös begründete Gesellschaftsordnung ab. Durch die zwingend neutral formulierte Definition von „religiös motivierten extremistischen Verbindungen“, könnten potenziell aber auch andere fundamentalistische religiöse Bewegungen betroffen sein. Deshalb waren auch die Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche entschieden gegen die Gesetzesänderung.

Die Juristin Ingeborg Zerbes von der Universität Wien sieht das Strafrecht als „gesättigt“ an, wie sie zur Kleinen Zeitung sagt. Der Verfolgung von „Aussagedelikten“ wie Verhetzung attestiert sie aber sehr wohl „eine Berechtigung“. Durch das Internet können Einzelne heute eine andere Wirkmacht entfalten. Zerbes sieht hier aber weniger das heimische Strafrecht als internationale Regulierungen wie den Digital Services Act der EU als geeigneter an.

Die Strafrechtsprofessorin Ingeborg Zerbes
Die Strafrechtsprofessorin Ingeborg Zerbes © APA / Privat

Auch ÖVP und SPÖ haben Maßnahmen gegen Online-Radikalisierung gefordert, wobei sich die Volkspartei auf die EU-Regulierung bezog, SPÖ-Chef Andreas Babler unkonkret blieb. Letzterer will zudem ein eigenes Gesetz für Sicherheitsfirmen mit Vorgaben für Ausbildung und Sicherheitskontrollen. Einer der Terror-Verdächtigen hatte zwar nicht bei der Securityfirma angeheuert, aber war im Gerüstaufbau tätig.

Die Grünen hatten ihrerseits am Montag Zustimmung zu besseren Sicherheitsüberprüfungen generell von Personal bei Großveranstaltungen signalisiert. Karner ist damit zufrieden: „Ich höre mit großer Genugtuung, dass die Grünen auch in dieser Frage Verschärfungen wollen.“ Darüber hinaus will die ÖVP auch eine Verschärfung des Vereins- und Versammlungsrechts, die Wiedereinführung der obligatorischen Untersuchungshaft und die Stärkung von Deradikalisierungsprogrammen.

Grüne gehen nur teilweise mit

Dabei geht der Koalitionspartner nur in Teilen mit. „Der Ausbau von Extremismusprävention ist gut und die einzige Art wie wir Terrorismus nachhaltig verhindern können“, heißt es aus dem grünen Klub. Strukturell ist Österreich in diesem Bereich nicht schlecht aufgestellt, die budgetäre Dotierung hat aber Luft nach oben, wie die zuständigen Stellen zuletzt betonten.

Bei der Vereins- und Versammlungsfreiheit habe es laut Grünen dagegen bereits nach dem Terroranschlag 2020 Verschärfungen gegeben und die zwingende U-Haft bei schweren Delikten sei 2023 vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben worden. „Klar ist, dass alle zu treffenden Maßnahmen fest auf dem Boden der österreichischen Verfassung stehen müssen“, so die Grünen.