Im Frühjahr 2023 fiel aufmerksamen Kärntnern am Bahnhof in Udine ein Güterzug auf, der voll beladen mit Panzerhaubitzen in Richtung Norden rollte. Bald darauf sickerte durch, dass der Transport nicht nur Österreich queren würde, sondern in Richtung Osteuropa unterwegs war. Haben die Italiener Waffen für die Ukraine durch Österreich transportiert? Die Aufregung war groß. Wie sich bald herausgestellt hat, war alles rechtens. Zumindest hatte Rom formell angesucht, der Transit wurde von Innen- und Verteidigungsministerium genehmigt.

Diesmal geht die Regierung einen anderen Weg. In den nächsten Tagen sollen US-Truppen von Italien kommend via Kärnten und Salzburg nach Bayern verlegt werden. Statt auf Fotos von Twitteranten zu reagieren, ist das Verteidigungsministerium nun gleich in die Offensive gegangen, um die Öffentlichkeit zu informieren. Die Frage, die gestellt werden darf, ist allerdings eine grundsätzliche: Ist das mit der Neutralität vereinbar?

Durchfuhr unter Bedingungen erlaubt

Ein Rundruf bei den Völkerrechtlern Walter Obwexer sowie Ralph Janik bestätigt, was auch die Regierung behauptet: Auf Basis des von ÖVP und FPÖ im Jahr 2001 beschlossenen Truppenaufenthaltsgesetzes ist die Durchfuhr von militärischem Gerät erlaubt, allerdings unter einer Bedingung: Waffen und Soldaten dürfen nicht in den Krieg ziehen. Im gegenständlichen Fall geht es nur um ein größeres Nato-Manöver „Saber Junction“, das bis zum 23. August im süddeutschen Raum abgehalten wird. Da waren die Panzerhaubitzen im letzten Jahr schon anders gelagert. Obwexer erklärte im Frühjahr 2023, dass Österreich auf Basis eines EU-Beschlusses, das es selbst mitgetragen habe, EU-Ländern im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik die Durchfuhr von Kriegsmaterial für die Ukraine erlauben“ müsse..

Seit genau 34 Jahren (!) poppt die Debatte regelmäßig in der Öffentlichkeit auf: Im August 1990 klopften die USA in Wien an, damals stellte die SPÖ den Kanzler, um Waffen für die Befreiung des von Saddam Hussein besetzten Kuwait in den Nahen Osten zu verlegen. Im Außenministerium wurde der Slogan „Solidarität hat Vorrang vor der Neutralität“ geboren. Als völkerrechtliche Basis diente ein UN-Sicherheitsratsbeschluss. Damals wurden die Weichen für die jetzige Praxis gestellt.

Wann ist ein Krieg ein Krieg?

Grob gesprochen liefern, so Janik, vier Gesetze (Truppenaufenthaltsgesetz, Kriegsmaterialgesetz, Außenwirtschaftsgesetz, Truppenentsendegesetz) die Grundlage für politische Entscheidungen. Solange Soldaten oder Militärmaterial nicht in einen Krieg involviert sind, ist rechtlich alles erlaubt. 2023 wurden 4584 ausländische Militärtransporte durch Österreich genehmigt, 2022 waren es 4500 Fahrten, 2021 3256 Transporte, 2020 2105, 2019, als die FPÖ den Innen- und den Verteidigungsminister (Kickl, Kunasek) stellte, 3511 Militärtransporte.

Krieg ist allerdings nicht gleich Krieg. Wenn ein Waffengang durch die UNO (Afghanistan), die EU oder als humanitäre Intervention (Kosovo) gedeckt ist, gelten in Österreich andere Spielregeln. Obwexer und Janik betonen, dass Neutralitätsrecht und Neutralitätspolitik nicht deckungsgleich seien, Überflüge genehmigt werden können, aber nicht müssen, die Unterstützung der Ukraine rechtlich weitergehen könnte, als es derzeit politisch getan wird.

Verfassungsrechtlich verbietet die Neutralität - abgesehen von der (vagen) Teilnahme an Kriegen _ die Mitgliedschaft in einem Militärbündnis (obwohl die EU durchaus Züge eines Bündnisses aufweist) sowie die dauerhafte Stationierung fremder Truppen in Österreich.