Ende Dezember 2019 hat der Verfassungsgerichtshof weite Teile eines türkis-blauen Sicherheitspakets als verfassungswidrig aufgehoben. Nicht nur die verdeckte Überwachung verschlüsselter Nachrichten durch Installation eines Programms auf einem Computersystem ist gemäß dem Spruch nicht erlaubt. Auch die Ermächtigung, zur Installation eines sogenannten Bundestrojaners in Räume einzudringen, Behältnisse zu durchsuchen und spezifische Sicherheitsvorkehrungen zu überwinden, wurde damals aufgehoben.
Begründet wurde diese Aufhebung mit folgenden Argumenten: Die vertrauliche Nutzung von digitalen Nachrichtendiensten sei „wesentlicher Bestandteil des Rechts auf Achtung des Privatlebens“ gemäß der europäischen Menschenrechtskonvention, argumentierten die Höchstrichter. Hier einzugreifen wäre „nur in äußerst engen Grenzen zum Schutz entsprechend gewichtiger Rechtsgüter“ zulässig. Wer Einblick in solche Kommunikation bekommt, kann Rückschlüsse „auf die persönlichen Vorlieben, Neigungen, Orientierung und Gesinnung sowie Lebensführung des Nutzers“ ziehen. Zudem sei nicht gewährleistet, dass die Überwachungsmaßnahme nur dann erfolge, wenn sie zur Verfolgung und Aufklärung von schwerwiegenden Straftaten diene. Ebenso sei der Schutz der Privatsphäre nicht hinreichend sichergestellt.
Funkstille zwischen ÖVP und Grünen
Federführend an der Ausarbeitung des damaligen Gesetzes war das vom heutigen FPÖ-Chef Herbert Kickl von Dezember 2017 bis Mai 2019 geführte Innenministerium. Unter Türkis-Grün übernahm wieder die ÖVP das Innenministerium, erst in Person des heutigen Bundeskanzlers Karl Nehammer, seit Dezember 2021 mit Gerhard Karner. Im Regierungsprogramm haben ÖVP und Grüne die Prüfung der Schaffung einer verfassungskonformen Regelung zur Überwachung verschlüsselter Nachrichten im Internet unter Berücksichtigung des VfGH-Entscheids vereinbart. Herausgekommen ist dabei jedoch nichts, wobei sich die beiden Koalitionsparteien gegenseitig die Schuld zuschieben.
Die vereitelten Anschlagspläne auf die Fans des US-Superstars Taylor Swift in Wien haben das Thema wieder auf die politische Tagesordnung gebracht. Schon im April hatte die Strafrechtsprofessorin Ingeborg Zerbes, die auch Vorsitzende der Geheimdienst-Kontrollkommission ist, erklärt, dass eine verfassungskonforme Lösung möglich sei, weil seit 2019 Überwachungssoftware auf den Markt gekommen sei, die weniger breit mitlese und viel zugespitzter auf Nachrichten sei.
Mehrere Möglichkeiten zur Überwachung
„Wenn man aber die Messengerdienste abfragen will, braucht man eine spezifische Software, die nur auf diese Nachrichten eingestellt ist. Und in Deutschland verwendet man so etwas bereits“, erklärte Zerbes, die auch Vorsitzende der Geheimdienstkontrollkommission ist, bereits im April: „Das Unspezifische, das wurde vom Verfassungsgerichtshof als große Gefahr gesehen. Das ist jetzt fünf Jahre her.“
Theoretisch gibt es mehrere Möglichkeiten, die unterschiedlich tief in die Rechte von Betroffenen eindringen. Das gelindeste Mittel wäre, nur die Handynummern von Verdächtigen zu identifizieren und damit auch entsprechende Netzwerke aufzudecken. Eine andere Möglichkeit zielt auf das Auslesen von Meta-Daten, die durch das Nutzen von Webseiten oder Nachrichten-Apps entstehen. Diese liegen bei den Netzbetreibern und könnten Auskunft darüber geben, wer wann mit wem über die Apps telefoniert oder korrespondiert. Die umstrittenste Variante nützt Sicherheitslücken in Handy-Betriebssystemen, um eine Software einzuschleusen, die eine Überwachung der digitalen Kommunikation am Gerät ermöglicht.
Den österreichischen Sicherheitsbehörden stehen aktuell keine dieser Möglichkeiten offen.