In gewisser Weise erleben die Grünen ein Déjà-vu. 2017 flogen sie auch aus dem Parlament, weil sich der Urgrüne Peter Pilz abgespalten hatte und mit einer eigenen Liste angetreten ist. Kay-Michael Dankl, der als Frontmann der KPÖ in Salzburg fulminant abgeschnitten hat und heute Vizebürgermeister ist, wie auch KPÖ-Spitzenkandidat Tobias Schweiger waren Spitzenfunktionäre bei den Jungen Grünen, ehe beide der Partei den Rücken gekehrt haben.
„Es gibt keinen Kontakt mehr“
Seit Anfang August ist klar, dass die einstige Parteichefin der Grünen, Madeleine Petrovic, mit einer eigenen Liste, die ihren Namen trägt, bundesweit kandidiert. Aus ihrer alten Partei sei sie bereits ausgetreten. Ohne ihr Wissen sei zunächst ihre Mitgliedschaft ruhend gestellt worden. Ob es Versuche gegeben habe, sie von einer Kandidatur abzubringen? „Nein, es gibt ja keinen Kontakt mehr.“ Petrovic zog 1990 für die Grünen in den Nationalrat ein, gemeinsam mit Rudolf Anschober, Peter Pilz, Andreas Wabl, Johannes Voggenhuber, zweimal führte sie die Partei als Spitzenkandidatin in die Wahl, einmal erfolgreich (1994), einmal weniger (1995), sie wurde von Christoph Chorherr und dann von Alexander Van der Bellen abgelöst.
„Grüne haben kämpferische Note aufgegeben“
Auf Debatten, ob sie sich als „bessere Grüne“ oder als „Alternative zu den Grünen“ versteht, will sich die 68-Jährige gar nicht einlassen. Im Gespräch drängt sich nicht der Eindruck auf, dass sie Ressentiments oder gar Hass auf ihre einstige Partei verspürt. In jedem Fall seien die Grünen mit der Koalition unter Sebastian Kurz, spätestens während der Pandemie ihren Grundprinzipien untreu geworden. „Ich war immer der Meinung, dass es höchste Zeit war, dass die Grünen sich an einer Regierung beteiligen“, so Petrovic, die dem Realo-Lager zuzurechnen war. „Kaum waren sie an der Macht beteiligt, haben sie ihre kämpferische Note aufgegeben und den Kontakt zur Basis verloren.“
„Keine internen Debatten zu Corona“
Mit den Grünen habe sie während Corona gebrochen. „Es kann nicht sein, dass man freiheitsbeschränkende Maßnahmen ohne interne Debatte beschließt.“ 2021 gründete Petrovic eine Initiative „Grüne gegen Impfpflicht“, der nicht wenige lokale Grünpolitiker beitraten. Ihre Auftritte bei Anti-Corona-Protesten führten zur Entfremdung. Die Parteispitze quittierte Petrovics Liebäugeln mit den Coronaschwurblern nur noch mit Kopfschütteln.
„FPÖ darf man nicht dämonisieren“
Im bevorstehenden Wahlkampf setzt die Ex-Grünenchefin neben der Grundrechtsfrage auf die Themen Umwelt, Tierschutz, Neutralität. Im Umgang mit der FPÖ plädiert sie für einen ideologiefreien Zugang. 2022 startete sie mit dem niederösterreichischen FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl ein Tierschutzvolksbegehren. „Ich halte es für falsch, die FPÖ zu dämonisieren. Man muss sie an ihren Taten messen.“ Verstöße gegen das Verbotsgesetz seien die rote Linie. Auch vom Orban-Boykott hält sie wenig. „Ich weiß von den ungarischen Grünen, wie sehr sie drangsaliert werden. Ihn zu boykottieren, ist der falsche Weg. Man sollte lieber reden.“ Waffenlieferungen an die Ukraine lehnt Petrovic ab. „Putin ist ein brutaler Geheimdienstmann“, so Petrovic, die darauf verweist, dass sie ukrainisch-jüdische Wurzeln besitzt. „Glaubt man wirklich, dass man Russland bewaffnet besiegen kann?“ Bei Israel ist ihre Position klar. „Der Überfall der Hamas war kein Aufstand, sondern ein barbarischstes Verbrechen.“
Verzicht auf Politikerpension
Ob die Liste den Sprung ins Parlament schafft, wisse sie nicht. Petrovic geht davon aus, dass sie nicht nur von enttäuschten Grünen oder Freiheitlichen, sondern auch von Nichtwählern unterstützt wird. Zum Gerücht, sie trete aus pekuniären Erwägungen an: „Ich habe auf meine Politikerpension verzichtet.“
Skurriler ZiB2-Auftritt
Im ZiB2-Interview bei Armin Wolf stellte Madeleine Petrovic die Auswirkungen von CO₂ auf den Klimawandel infrage. Zudem appellierte sie für eine „aktive Neutralitätspolitik, wie sie unter Kreisky der Fall war“. Sie meinte außerdem, dass die Ukraine Verhandlungen mit Russland in Erwägung ziehen müsse.