Pro von Ingrid Korosec
Die Großelternkarenz soll kein Massenprogramm sein. Für manche ist die ideale Möglichkeit für eine optimale Familienplanung.
Ich bin seit über 40 Jahren in der Politik und seit vielen Jahren ehrenamtlich. Weil es mir viel bedeutet und Freude bereitet, Dinge zum Besseren zu verändern, Menschen zu helfen, und ich bin überzeugt, dass der Austausch zwischen alt und jung, erfahren und ungestüm, abgeklärt und visionär unverzichtbar ist. Die Diskussion rund um die Idee der Großeltern-Karenz erschüttert mich beinahe, weil sie die Attribute umgekehrt zuordnet, als man es vermuten würde.
Visionslosigkeit, ideologisch bedingte reflexartige Ablehnung und künstliche Vorwahlkampfaufregung kommen ausgerechnet von jungen Politikerinnen, nach dem Motto: „Ist nicht von uns, daher ist sie nicht gut“. Wenn eine Idee gut ist, dann ist sie es, egal woher sie kommt! Für die Väterkarenz haben Johanna Dohnal und ich vor 34 Jahren gemeinsam gekämpft. Auch wenn noch immer viel zu wenige Väter diese Chance nutzen, sie haben die Möglichkeit! Und wenn ich heute einen jungen Vater mit dem Kinderwagen sehe, dann freut mich das. Genauso könnten Großeltern in Zukunft in Großeltern-Karenz gehen. Kein Massenprogramm, keine Verpflichtung, aber für manche vielleicht die beste aller Möglichkeiten für eine optimale Familienplanung. Die Großeltern-Karenz ist kein Ersatz für institutionelle Kinderbetreuung! Diese ist unumstritten unverzichtbar und muss massiv weiter ausgebaut werden. Es geht nicht um entweder-oder, sondern um sowohl-als-auch. Gesellschaft und Arbeitswelt befinden sich im Wandel. Die Zukunft ist vielfältig, flexibel und individuell. Mütter sind heute im Durchschnitt über 30, wenn sie ihr erstes Kind bekommen. Mitten in der beruflichen Karriere. Längere Karenz bedeutet Karriereknick. Folgejahre in Teilzeit führen zu Altersarmut. Die Großeltern von heute sind aktiv, engagiert und ihr Leben ist gut verplant. Warten auf Enkelkinderschauen – Fehlanzeige. Zu viele Großväter haben die Väterkarenz nicht in Anspruch genommen und hatten „nichts von ihren Kindern“. Sie möchten das bei den Enkelkindern nachholen. Ich bin der Meinung, die Großeltern-Karenz könnte ein win-win für Eltern, Großeltern und für die Kinder sein. Der renommierte Mediziner Johannes Huber sieht in der Großeltern-Karenz sogar die richtige Antwort auf viele medizinische, psychologische und gesellschaftspolitische Fragen, die sich ÄrztInnen derzeit im Umgang mit den Kleinsten stellen.
Schweden hat die Großeltern-Karenz mit 1. Juli eingeführt. In Österreich redet man sie lieber schlecht, bevor womöglich doch aus der Idee was Gutes werden könnte. Am Anfang steht immer eine Idee. Ohne Idee, keine Erfindung, kein Fortschritt. Mit dieser „Kann nicht, darf nicht, soll nicht – Mentalität“ werden wir die Zukunft nicht meistern. Wir brauchen eine Politik des Ermöglichens und nicht des Blockierens.
Kontra von Korinna Schumann
Großeltern sind nicht dazu da, fehlende Kinderbetreuungseinrichtungen auszugleichen.
Schon im Frühjahr wurde sie vom Bundeskanzler präsentiert: die „Großelternkarenz”. Nachdem sich die Begeisterung in Grenzen gehalten hat, wurde sie – just ein Jahr nachdem man den Müttern zwei Monate Karenz gestrichen hat und den Eltern seitdem die Organisation der Kinderbetreuung große Sorgen bereitet – erneut hervorgekramt. Man könnte meinen, die Regierung hat hinsichtlich Kinderbetreuung aufgegeben.
Viele Omas und Opas übernehmen sicherlich gerne die Betreuung der Enkelkinder – damit aber institutionelle Kinderbetreuung ersetzen zu wollen, ist keine Option. Die Großeltern sind nicht dafür da, mangelnde Kinderbetreuung aufgrund fehlender flächendeckender Kinderbildungseinrichtungen und zu wenig Personal auszugleichen.
Dass Österreich massiven Aufholbedarf hat, belegen die Zahlen: Bei den Unter-Dreijährigen sind gerade einmal 30 Prozent in Betreuung, die europäischen Ziele werden seit Jahren von Österreich nicht erreicht.
Eine „Großelternkarenz” hätte überdies vor allem Konsequenzen für die Großmütter. Die Zeitverwendungsstudie von vergangenem Dezember hat erneut ausgewiesen, dass Frauen nach wie vor zwei Drittel der unbezahlten Arbeit übernehmen. Dabei ist es egal, wie sich das Haushaltseinkommen zusammensetzt und wie hoch das Erwerbsausmaß ist. Es ist daher anzunehmen, dass auch eine „Großelternkarenz” letztlich von den Omas umgesetzt werden würde, was wiederum das Ziel einer stärkeren männlichen Beteiligung bei der Kinderbetreuung konterkariert.
Auch hier dienen die Zahlen als Beleg: Die Väterbeteiligung ist rückläufig. Frauen würden somit wenige Jahre vor dem gesetzlichen Pensionsantrittsalter – das im Übrigen gerade in Halbjahresschritten angehoben wird –aus dem Berufsleben gelockt. Und das, obwohl jetzt schon ein Drittel der Frauen nicht aus der Erwerbstätigkeit heraus in Pension geht. Was das für die spätere Pension bedeutet (Frauen bekommen aktuell 40,1 Prozent weniger Pension als Männer), ist selbsterklärend.
Anstatt einer „Großelternkarenz” muss endlich ordentlich investiert werden: An einem Rechtsanspruch für beitragsfreie und flächendeckende Kinderbetreuung ab dem ersten Geburtstag des Kindes führt kein Weg vorbei. Umzusetzen ist außerdem das Familienarbeitszeitmodell, damit beide Elternteile ungefähr gleich viel Zeit für die Kinderbetreuung und für die Erwerbsarbeit zur Verfügung haben. Und zurückzunehmen ist die Kürzung der Karenz von 24 auf 22 Monate.
Damit würde man endlich aufhören, die Lebensrealität der Menschen und vor allem der Frauen zu ignorieren, und stattdessen tatsächlich einen Schritt Richtung Wahlfreiheit gehen.