Es wären nicht die traditionellen Sommergespräche, wenn nicht der ORF die politisch interessierte Öffentlichkeit jedes Jahr mit einer Besonderheit vor den Fernseher zu locken versucht. Im letzten Jahr lud Susanne Schnabl ins alte Raucherkammerl des Parlaments, diesmal entschied man sich für eine Location am Traunsee – mit dem Argument, man wolle in der Nähe des geografischen Mittelpunkts des Landes die Parteichefs zum Gespräch empfangen. Freilich: Der Mittelpunkt der Republik liegt nicht in Oberösterreich, sondern unweit von Pürgg im steirischen Ennstal.
Gastgeber ist diesmal ZiB-2-Moderator Martin Thür, den Anfang macht Montagabend (5. 8.) Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Neben Persönlichem wird dabei mit Sicherheit die Aussicht auf eine erstmalige pinke Regierungsbeteiligung im Bund im Fokus stehen. Die weitere Reihenfolge lautet dann: Grünen-Chef Werner Kogler (12. August), FPÖ-Obmann Herbert Kickl (19. August), SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler (26. August) und schließlich ÖVP-Chef Karl Nehammer (2. September), jeweils um 21.05 Uhr auf ORF 2.
Kurz knackte als Quotenkaiser die Million
Seit mehr als 40 Jahren gehört dieses Gesprächsformat zum polit-medialen Ritual im August. Vom Anspruch sollte sich die knapp einstündige Sendung von den klassischen Interviews unterscheiden, zumeist werden ein paar persönliche Fragen eingeflochten, bisweilen auch der eine oder andere Experte oder Künstler an Bord geholt. Im Regelfall findet die Reihe nicht im Studio, sondern außerhalb des ORF-Zentrums statt: in der Wachau, am Dach des Museumsquartiers, bei einem Edelheurigen in Grinzing. Die Wahrscheinlichkeit, dass der ORF trotz bevorstehender Nationalratswahl im heurigen Jahr alle bisherigen Quoten sprengt, ist gering. Den Rekord hält das Sommergespräch mit Sebastian Kurz 2017 (1,034 Millionen Seher), die höchste Durchschnittsreichweite fuhr der ORF 2019 ein, als Ibiza passiert ist (805.000). Im letzten Jahr schalteten nur 629.000 Seher ein.
Das erste Sommergespräch ging baden
Das erste Sommergespräch war bisher denn auch das spektakulärste. Moderator Peter Rabl bat den damaligen FPÖ-Chef Norbert Steger Anfang der Achtzigerjahre bei brütender Hitze in einer Kärntner Villa zum Interview. Ihm, Rabl, kam plötzlich der Gedanke, das Finale im Swimmingpool zu absolvieren. „Es war brüllend heiß“, erinnerte sich Rabl später. „Es war eine spontane Idee, und Steger hat mitgespielt“. Interviewer und Interviewter schlüpften in eine Badehose und begaben sich ins kühle Nass.
„Ideologische Missgeburt“
Alles andere als plaudernden Charakter hatte das Gespräch, das ORF-Kollege Johannes Fischer mit Jörg Haider im Gedenkjahr 1988 auf einer Alm in Kärnten führte. Der damalige FPÖ-Chef holte zu einem längeren Exkurs aus, warum Österreich eine „ideologische Missgeburt“ sei. In dieser Deutlichkeit hatte sich kein heimischer Spitzenpolitiker seit 1945 von Österreich distanziert.
Die Historie der Hoppalas
Was in der Erinnerung bleibt – und paradoxerweise auch vom ORF in Nostalgiesendungen ausgestrahlt wird, sind die diversen Hoppalas, die dem Live-Charakter geschuldet sind. Das Gespräch mit SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner wurde von (künstlichem) Elefanten-Tröten überlagert. Die einstigen ÖVP-Chefs Wolfgang Schüssel bzw. Sebastian Kurz mussten Gelsenattacken über sich ergehen lassen, BZÖ-Chef Josef Bucher musste am Domplatz zu Salzburg gegen Kirchenglocken ankämpfen, die stellvertretende Grünen-Chefin Maria Vassilakou gegen ein aufkommendes Gewitter auf der Seebühne in Mörbisch. SPÖ-Chef Werner Faymann betrat denn gleich gar nicht die Seebühne in Bregenz, weil dessen Pressesprecherin das Schreckensszenario an die Wand malte, quakende Enten könnten den Diskurs mit dem Kanzler stören.