Die Entscheidung hatte sich in den letzten Tagen abgezeichnet, nun sind die Würfel gefallen. Finanzminister Magnus Brunner wird der Kommission von Ursula von der Leyen als von Österreich entsandtes Mitglied angehören. Nach wochenlanger, innerkoalitionärer Blockade haben die Grünen den Weg freigemacht. Nach Franz Fischler, Benita Ferrero-Waldner und Johannes Hahn stellt die ÖVP bereits zum vierten Mal in Serie den EU-Kommissar.

Offiziell wird in türkisen wie auch in grünen Kreisen beteuert, dass die Zustimmung an kein Personalpaket, wie in den letzten Tagen kolportiert, geknüpft ist. „Die ÖVP hat sich eingegraben“, heißt es im Umfeld des Vizekanzlers. „Wir haben aus europapolitischer Verantwortung gehandelt, weil wir nicht wollten, dass Österreich als letztes Land einen Kandidaten nominiert.“ Bekanntlich haben sich ÖVP und Grüne Anfang 2020 in einem geheimen Sideletter darauf verständigt, dass der Kommissar der Volkspartei zufällt. 

Nach Informationen der Kleinen Zeitung liegt dem Durchbruch doch ein größerer Deal zugrunde. So soll die ÖVP grünes Licht für die Übermittlung des von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler erarbeiteten, von Europaministerin Karoline Edtstadler zurückgehaltenen Klimaplans erteilt haben. Auch soll die überfällige nationale Sicherheitsstrategie das Licht der Welt erblicken. In dem Bereich setzten sich die Grünen mit der Forderung durch, dass Österreich spätestens 2027 aus dem russischen Gas aussteigt. Auch das Erneuerbare-Gas-Gesetz (EGG), das den Ausbau der Biogasproduktion in Österreich vorsieht, soll bald in Kraft treten.

„Uns geht es nicht um Köpfe, sondern um Inhalte“, heißt es hinter vorgehaltener Hand in Kreisen der Grünen. Allerdings dürfte der Deal auch an eine andere Personalie geknüpft sein: Offenbar rückt die ÖVP von ihrem Bestreben ab, die stellvertretende Generalsekretärin der Wirtschaftskammer Mariana Kühnel zur Chefin der Finanzmarktaufsicht (FMA) zu machen.

Monatelang wurde Verfassungsministerin Karoline Edtstadler als Favoritin für Brüssel gehandelt, als erstes österreichisches Medium wusste die Kleine Zeitung bereits Ende April zu berichten, dass der Vorarlberger ÖVP-Politiker die besseren Karten besitzt. Als Kommissionspräsidentin von der Leyen im Juni in Wien weilte, lernte sie Brunner am Rande ihres Besuchs des Forschungszentrums ISTA in Klosterneuburg näher kennen. Dem Vernehmen nach wurden in der Unterredung bereits mögliche wirtschafts- und finanzpolitische Ressorts besprochen, wie etwa Budget, Steuern, Binnenmarkt, Energie, Kapitalmarkt, Handel, allenfalls das Schlüsselressort Wettbewerb.

Dass Brunner nach Brüssel übersiedelt, ist höchstwahrscheinlich, allerdings noch nicht definitiv. Man kann davon ausgehen, dass Bundeskanzler Karl Nehammer vor der gestrigen Bekanntgabe mit der designierten Kommissionspräsidentin telefoniert hat, um sich den Segen für die Personalie zu holen. Brunner muss sich allerdings – wie alle anderen 26 Kandidaten auch – im EU-Parlament einem Hearing stellen. Zwar stimmt das Parlament nicht über jeden einzelnen Kommissar ab, es wäre nicht das erste Mal, dass die Abgeordneten die Zustimmung zur Gesamtkommission an die Abberufung eines Kandidaten knüpfen. Wegen seiner Aussagen zur Homosexualität beim Hearing musste 2004 der Italiener Rocco Buttiglione vorzeitig den Hut nehmen.