Wer vergangenen Donnerstagabend zufällig über Peter Westenthalers Talkshow auf „oe24“ stolperte, erfuhr womöglich Spannendes: Der von der FPÖ entsandte ORF-Stiftungsrat, ehemalige blaue Klubchef unter Schwarz-Blau I und BZÖ-Chef präsentierte da ein angebliches Geheimpapier zu einer zwischen ÖVP und SPÖ fix verabredeten Zusammenarbeit nach den Nationalratswahlen. Auch die wichtigsten Posten seien demnach bereits aufgeteilt: Die ÖVP würde als Zweiter demnach neben dem Kanzler für Karl Nehammer die Ressorts Wirtschaft, Inneres und Justiz erhalten, die SPÖ im Gegenzug den Vizekanzler für Andreas Babler, Finanzen für Wiens Stadtrat Peter Hanke, Soziales, Umwelt und Infrastruktur. Als Dritter im Bunde seien die Neos vorgesehen.
Kann das stimmen und noch wichtiger: Lässt es sich unabhängig überprüfen?
Objektiv lässt sich das, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt, nicht klären. Westenthaler bekräftigt die Existenz des Papiers, das ihm „aus dem engsten Umfeld Nehammers“ von einem langjährigen Bekannten zugespielt worden sei, will es aber nicht herausgeben, wie er gegenüber der Kleinen Zeitung sagt. Aus Gründen des Quellenschutzes, weil sein Bekannter dann seinen Job verlieren würde. Dessen Motive: eine künftige Ampelkoalition zu verhindern und demokratiepolitische Bedenken, weil das Votum der Wähler zur Nebensache verkomme. Sagt Westenthaler.
Unmöglich oder auch nur unwahrscheinlich ist ein solches Strategiepapier nicht. Die (Wieder-)Annäherung zwischen ÖVP und SPÖ in den letzten Monaten ist vielfach belegt, beschrieben und vor allem von den Sozialpartnern getragen. Auch wäre es nicht ungewöhnlich, wenn schon vor den Wahlen Szenarien für die Zeit danach gewälzt und mitunter sogar schriftlich festgehalten würden.
Stutzig macht, dass ein so vertrauliches Papier ausgerechnet beim FPÖ-Mann Westenthaler landet. Für ältere Semester drängen sich spontan Erinnerungen an die zahllosen Geschichten von angeblichen Geheimplänen Jörg Haiders auf, sei es, um die Macht zu erobern, die Regierung zu stürzen oder seine Kritiker zu entmachten. Auffallend ist zudem, dass es eine Gegenerzählung zur angeblich paktierten türkis-roten Koalition gibt: die in den Augen vieler „Insider“ nicht minder fix verabredete Zusammenarbeit zwischen ÖVP und FPÖ nach dem 29. September, ungeachtet der öffentlichen türkisen Beteuerungen, nicht mit der FPÖ unter Herbert Kickl zu koalieren.
Die SPÖ in Person des steirischen Gewerkschafters Josef Muchitsch, der als Kandidat für die Führung des Sozialministeriums genannt wird, bestreitet die Existenz eines türkis-roten Geheimplans vehement. Auch in der ÖVP spricht man von blauer Desinformation, will diese aber nicht durch einen offiziellen Kommentar aufwerten.
Bleibt als Bilanz: Ob es dieses Geheimpapier also wirklich gibt, bleibt offen. Westenthaler beteuert es jedenfalls und bietet sogar eine Wette an, denn „in drei, vier Monaten werden wir es ja fix wissen, ob es wahr oder fake ist“.