Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger dürfte heute Abend ins Schwitzen kommen. Bei hochsommerlichen Temperaturen steht ihr zu Beginn ihres Puls24-Sommergespräches ein kurzer Spaziergang durch die glühende Bundeshauptstadt bevor. Im kühleren Studio wird sie sich im Anschluss auch der Frage stellen müssen, wie „heiß“ ihre Partei auf eine Regierungsbeteiligung nach der Nationalratswahl ist. Am 29. September werden 6,343.976 Wahlberechtigte im Land entscheiden, wem sie ihre Stimme geben.

Aktuelle Umfragen sagen schon jetzt ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Neos und Grünen um den vierten Platz voraus, zuletzt hatte die Partei von Meinl-Reisinger knapp die Nase vorn. Sollte die ÖVP bei ihrem Versprechen bleiben, auch bei entsprechender Mehrheit keine Koalition mit der FPÖ einzugehen, solange Herbert Kickl Parteichef ist, dann wäre eine Dreierkoalition mit der SPÖ sowie Grünen oder Neos denkbar. Die Akteure der einstigen Großen Koalition dürften, sollte sich eine Neuauflage dieser nicht ausgehen, jedoch durchaus unterschiedliche Präferenzen in der Farbwahl für ein solches Dreier-Experiment haben.

Ärger über grüne Alleingänge

In der ÖVP betont man freilich, sich auf keine Gedankenexperimente vor der Wahl einlassen zu wollen, Gerüchte über interne Verhandlungen, die mit der SPÖ in diesem Bereich seit Monaten laufen sollen, werden dementiert. Eine Präferenz lässt die Partei dennoch durchblicken. Eine erneute Zusammenarbeit, in welcher Konstellation auch immer, mit dem aktuellen Koalitionspartner kann sich in den türkisen Reihen kaum jemand vorstellen. Der Ärger über die jüngsten Alleingänge von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) lässt bei vielen bis heute das Blut kochen.

Vor allem in den Ländern gab es nach dem grünen Ja zum Renaturierungsgesetz Stimmen, die ein vorzeitiges Ende der türkis-grünen Partnerschaft gefordert hatten. Die zeitliche Nähe zum regulären Wahltermin hielt Nehammer jedoch von einem Ziehen der koalitionären Reißleine ab. Zu groß war die Angst, von den Wählern dafür abgestraft zu werden.

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP)
Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) © APA/ Tobias Steinmaurer

Deutlich leichter täte man sich hingegen mit einer Zusammenarbeit mit den Neos. Vor allem im Wirtschaftsbereich decken sich seit jeher viele politische Positionen, im kniffligen Bereich Integration und Sicherheit wittert man in der ÖVP nun neue Chancen. Das liegt auch an den jüngsten Wortmeldungen des pinken Wiener Vizebürgermeisters Christoph Wiederkehr. Dieser hatte vor einigen Tagen im ORF mehr Polizei für Wien und härtere Maßnahmen gegen kriminelle „Gfraster“, wie er straffällige Jugendliche überraschend deutlich bezeichnete, gefordert. „Da könnte man also schon zusammenfinden“, heißt es aus der ÖVP.

Zwei Lager in der SPÖ

Bei der SPÖ wird die Sache komplizierter. Passend zur dort wenig beliebten Lager-Erzählung zeichnen sich zwei solche auch bei der Frage nach dem idealen Koalitionspartner ab. Die mächtige Wiener SPÖ, die sich dort die Pinken als Juniorpartner in die Regierung geholt hat, berichtet intern durchaus positiv von der Zusammenarbeit. Auch beim Thema Polizei und Sicherheit scheint man sich einig, auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) will mehr Exekutive und Videoüberwachung auf den Straßen seiner Stadt.

Der Gedanke an eine Zusammenarbeit mit den Grünen sorgt im Wiener Rathaus hingegen für alles andere als Begeisterung. Vor allem mit Gewesslers Blockade des Lobau-Tunnels haben sich die Grünen dort keine Freunde gemacht. Und auch die frühere rot-grüne Koalition war bekanntlich nicht ganz friktionsfrei verlaufen.

In der Bundes-SPÖ um Parteichef Andreas Babler sieht man die Grünen hingegen als attraktiveren Partner für eine Dreierkoalition. Gerade im Sozialbereich sei mit den liberalen Neos kein Staat zu machen, von den Grünen erhofft man sich hier mehr Unterstützung. Auch der Umstand, dass die ÖVP vor allem im Wirtschafts- und Sicherheitsbereich durch die Neos gestärkt werden könnte, beunruhigt viele Genossen, die auch Verschlechterungen für Arbeitnehmer fürchten. In der Bundespartei wird aber ohnehin bezweifelt, dass die ÖVP bei ihrem Nein zu Türkis-Blau bleibt.