Betreuung von Kindern, Pflegen von Angehörigen oder einfach mehr Freizeit: Verschiedene Gründe sorgen für einen regelrechten Teilzeitboom. Laut Statistik Austria waren vor 15 Jahren rund ein Viertel der erwerbstätigen Menschen in Österreich teilzeitbeschäftigt. Im Vorjahr war es schon fast ein Drittel. Hierzulande ist das vor allem ein weibliches Phänomen: 50,6 Prozent der Frauen arbeiten in Teilzeit, bei Männern sind es lediglich 13,4 Prozent.
Weniger Steuern, gleiche Sozialleistungen
Volkswirtschaftlich gesehen ist Teilzeitarbeit ineffizient. Denn durch weniger Arbeitsstunden und geringere Einkommen werden auch weniger Steuern und Abgaben bezahlt. Gleichzeitig haben Menschen in Teilzeit Anspruch auf die gleichen Sozial- und Gesundheitsleistungen wie jene, die Vollzeit beschäftigt sind. Zudem bleibt bei Teilzeit mehr netto vom brutto, was ein Aufstocken auf Vollzeitarbeit unattraktiv macht.
Bei der hohen Zahl an Teilzeitbeschäftigten müsse man laut Soziologin Bettina Stadler von der Universität Graz jedoch differenzieren: „In Österreich werden unterschiedliche Phänomene als Teilzeit beschrieben. Dazu gehören Menschen, die fünf bis zehn Stunden arbeiten, genauso wie Menschen, die bis zu 35 Stunden arbeiten“. Außerdem sei der Zuwachs an Teilzeitarbeitenden nicht ausschließlich negativ zu bewerten. „Dahinter steht auch, dass Frauen nach der Geburt ihrer Kinder im Vergleich zu früher viel häufiger und schneller zum Arbeitsmarkt zurückkehren. Das ist eine erfreuliche Sache“, so Stadler.
Viele Menschen „freiwillig“ in Teilzeit
Die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen ist die häufigste Ursache, warum sich Menschen gegen Vollzeit entscheiden. Das geht aus dem Allgemeinen Einkommensbericht des Rechnungshofs hervor. 2022 gaben 32 Prozent der Teilzeitbeschäftigten an, wegen Betreuungspflichten weniger Stunden zu arbeiten. Rund ein Viertel der Teilzeitbeschäftigten gab allerdings an, einfach nicht in Vollzeit arbeiten zu wollen. Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung, forderte zuletzt im „Kurier“, dass „freiwillige“ Teilzeitarbeitende ohne Betreuungspflichten höhere Beiträge ins Sozialsystem einzahlen sollen.
Sanktionen hält Soziologin Stadler jedoch für den falschen Weg. Sie plädiert für mehr Unterstützung für Teilzeitarbeitende, ihre Stunden auszubauen. „Aus Sicht der Arbeitsforschung ist es nicht unbedingt wichtig und realistisch, jede Person auf Vollzeit aufzustocken. Das Ziel sollte sein, die Stundenzahl zu erhöhen und die Menschen in eine vollzeitnahe Teilzeit zu bringen.“ Ein Ansatz dafür sei mehr Flexibilität in den Unternehmen: Viele Menschen zögern, ihre Arbeitsstunden zu erhöhen, denn oft führt danach kein Weg zurück. Wäre dieser Wechsel leichter möglich, könnten mehr Angestellte diesen Schritt wagen. Außerdem hält Stadler einen Ausbau der Kinderbetreuung für notwendig, damit Betreuungspflichten zu Hause wegfallen.
Mehr Vollzeit wäre jedenfalls volkswirtschaftlich wünschenswert. Österreichs Gesellschaft wird immer älter, wodurch Sozialausgaben stark steigen werden. Wirtschaftsexperten sehen im Aufstocken von Teilzeitkräften einen wichtigen Hebel, um dringend notwendige Steuereinnahmen zu lukrieren.