Die NGO „epicenter.works“ hat am Dienstag einen Individualantrag beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) eingebracht, um den Zugang der gesamten Öffentlichkeit zu den Untersuchungsausschüssen im Nationalrat zu erwirken. Der Ausschluss der Öffentlichkeit widerspreche der Europäischen Menschenrechtskonvention, so die NGO bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Die derzeitigen Beschränkungen seien ein „unerträglicher Zustand in einer Demokratie“.
Im konkreten Anlassfall hat die Filmemacherin Tina Leisch versucht, einen Dokumentarfilm über den U-Ausschuss zum „Rot-Blauen-Machtmissbrauch“ zu drehen, ihr und dem Geschäftsführer von epicenter.works wurde aber der Zugang verweigert. „Ausschüsse zu verfolgen wäre aber ganz wichtig für die junge Generation, wenn sie einen Einblick in die Politik bekommen will.“ Bisher ist der Zugang zu U-Ausschüssen nur Medienvertretern vorbehalten und Ton- und Bildaufnahmen sind strikt auf die Protokollierung der Sitzungen und die Übertragung innerhalb des Parlaments beschränkt. Das widerspreche dem Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention, die das Recht auf Information beinhaltet, so die NGO. Außerdem werde der Gleichheitssatz verletzt, da die Bevölkerung nur zu normalen Nationalratssitzungen Zugang hat, zu U-Ausschüssen jedoch nicht. epicenter.works fordert nun eine Aufhebung dieser Beschränkungen und zieht dafür vor das Höchstgericht.
„Doppelter Ausschluss“
Dieser „doppelte Ausschluss“, einerseits durch den fehlenden Zugang, andererseits durch das Bild- und Tonaufnahmenverbot sei ein „unerträglicher Zustand in einer Demokratie“, betonte Tanja Fachathaler, Policy Advisor bei epicenter.works. Während andere Länder wie Deutschland oder Belgien den Bürgern und Bürgerinnen Zugang zu U-Ausschüssen gewähren, werde in Österreich „zugedeckt“.
Bei dem Antrag der NGO gehe es aber keinesfalls darum, Medienvertreter nachrangig zu behandeln, betonte der Rechtsanwalt Phlipp Schwarz. Er sieht durch die aktuelle Geschäftsordnung des U-Ausschusses die freie Meinungsäußerung, bzw. konkret das Recht auf Informationsbeschaffung der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt.
„Es kann leider auch Jahre dauern“
Bis wann der VfGH über den Antrag entscheiden wird, sei schwer zu sagen, so Schwarz. „Es kann leider auch Jahre dauern“. Die Persönlichkeitsrechte von Befragungspersonen, die immer wieder vor allem von der ÖVP als Argument gegen öffentlichen Zugang ins Treffen gebracht wurden, seien wichtig, werden jedoch bereits gesetzlich geschützt und dieser Schutz treffe auch auf U-Ausschüsse zu. „Die Verantwortung liegt bei der Parlamentsdirektion“, so Schwarz. Man müsse beispielsweise differenzieren zwischen „Public Figures“ und „einfachen Auskunftspersonen“.
Die SPÖ begrüße die Initiative für die Live-Übertragung von U-Ausschüssen, so der stellvertretende Klubvorsitzende Jan Krainer am Mittwoch in einer Aussendung. Er appellierte an ein „Einsehen“ der ÖVP, die sich bisher gegen die Übertragungen gesträubt habe. Die Persönlichkeitsrechte sieht Krainer durch das Medienrecht geschützt. Die Medien würden schon jetzt entscheiden, welche Personen von öffentlichem Interesse sind und welche geschützt werden müssen. Diese Rolle sollen sie auch in Zukunft wahrnehmen, „ohne eine Art Vorzensur durch die Abgeordneten“, so Krainer.