Der politische Islam befindet sich in Österreich im Aufwind. Zu diesem Schluss kommt der aktuelle Bericht der Dokumentationsstelle Politischer Islam (DPI). Der Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 habe als Brandbeschleuniger für extremistische und islamistische Strömungen im Land gedient, die auf die Polarisierung der Gesellschaft aus seien. „Auf die aktuellen Entwicklungen muss man ein Auge haben“, erklärt die Direktorin Lisa Fellhofer. Ein Überblick über die zentralen Punkte des Papiers.

„Hipster-Salafisten“

Die Dokumentationsstelle verzeichne eine immer größere Reichweite von salafistischen Predigern auf Sozialen Netzwerken. Während man sich früher traditionell konservativ gegeben und vor allem in Moscheen junge Menschen angesprochen hatte, würden sich die Prediger heute deutlich „hipper, trendiger und jünger“ präsentieren und entsprechendes Mobilisierungspotenzial entwickeln, erklärt der stellvertretende DPI-Direktor Ferdinand Haberl. Ähnlich wie in der Neonazi-Szene sei eine Professionalisierung und Intellektualisierung der Ansprache zu beobachten. Heute sei beispielsweise nicht mehr von Ungläubigen, sondern vom Westen oder „dem weißen Mann“ die Rede. Missionierung stehe aber weiter klar im Mittelpunkt.

Rechtsextremismus als Profiteur

Laut Mouhanad Khorchide, Islamtheologe und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates der DPI, sei der wahre Profiteur des sich ausbreitenden Salafismus der Rechtsextremismus. „Der politische Islam verstärkt die Vorurteile und Ängste gegenüber des Islams und macht es der rechtsextremen Seite leicht, die sich deshalb immer wieder auf Inhalte des politischen Islams beruft und daraus Pauschalaussagen ableite. Die Leidtragenden seien die Musliminnen und Muslimen im Land, die unter einer so entstehenden Vorverurteilung leiden, sagt Khorchide.

Iran und Taliban als zentrale Akteure

Haberl sieht den Iran „als zentralen Akteur des politischen Islams in Österreich und Europa“, das Land würde über Stiftungen und Vereine Druck und Einfluss auf die schiitische Gesellschaft im Inland nehmen. Doch auch die radikal-islamistische Taliban, die in Afghanistan im Sommer 2021 die Macht übernommen hatte, sei „wieder da mit ihrer Propaganda und Lobbying-Arbeit“. Dies diene der Legitimierung der Terrororganisation in Kabul, in Österreich gebe es zudem Vereine, die den Taliban besonders positiv gegenüberstehen, sagt Haberl. Aber auch der türkische Nationalismus und Islamismus sowie die Bewegung der „grauen Wölfe“ übe „beträchtlichen Einfluss“ aus.

Haberl, Fellhofer und Khorchide
Haberl, Fellhofer und Khorchide © Dokumentationsstelle/Franz Pfluegl

Allianz zwischen Islamismus und Linksextremismus

„Der Nahostkonflikt ist ein Vehikel des Islamismus“, erklärt Haberl. Der Hamas-Angriff habe das Schmieden neuer Allianzen zwischen dem Linksextremismus und dem Islamismus ermöglicht, die nun auch bei Demonstrationen öffentlich sichtbar werden. Das Gemeinsame sei hier unter anderem die Kritik an einem „antiislamischen Rassismus“. „Auch aus diesem Grund zählen die Islamisten für mich zu den größten Kriegsprofiteuren.“

Man müsse Probleme aufzeigen, um das Thema „nicht extremistischen Kräften zu überlassen, die sich in ihren Ansichten gegenseitig bestätigen, während die Mitte zerrieben wird“, erklärt DPI-Direktorin Fellhofer. Auf die Frage, welche Empfehlungen die Dokumentationsstelle abgibt und was getan werden muss, um islamistischen Strömungen im Land Einhalt zu gebieten, hält sie fest, dass die DPI nur dokumentiere und forsche. Man hoffe, dass Bildungseinrichtungen, Jugendarbeit und Zivilgesellschaft aus dem Material nun Handlungsvorschläge ableiten.