Sieben Monate lang hat eine international besetzte Kommission unter der Leitung des Antikorruptionsexperten Martin Kreutner in alten Justizakten, in mehr als 60 Interviews und in öffentlich verfügbaren Dokumenten nach Belegen zu politisch motivierten Interventionen in der Justiz gesucht. Das Gremium ist fündig geworden. „Die Frage, ob Interventionen erfolgreich waren, lässt sich aber nur schwer beantworten“, sagt Kreutner.
Montagabend stellte sich Kreutner in der ZiB 2 im „ORF“ den Fragen von Armin Wolf. Erneut betonte der Antikorruptionsexperte dabei, wie katastrophal die Handhabung der sogenannten clamorosen Fälle - also jener von großem öffentlichen Interesse - in Österreich sei: „Nach Schulnotensystem sind wir auf 4 bis 5. Das ist auch der Grund, warum wir heute nicht mehr EU-aufnahmefähig wären“, sagte Kreutner. „Allein das Faktum, dass ein staatsanwaltschaftliches Verfahren, das laut Verfassung Teil der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist, an ein politisches Organ rapportieren und fragen muss, ob gewisse Ermittlungsschritte erlaubt sind, ist dann 4 bis 5.“
Antikorruptionsexperte Martin Kreutner in der ZiB 2:
Der 230-Seiten-Bericht wird in den kommenden Tagen veröffentlicht werden. Vorab haben die Experten ihre zentralen Erkenntnisse sowie Ableitungen daraus präsentiert. Unter anderem fordert die Kommission, der auch der ehemalige bayerische Verfassungsgerichtshof-Präsident Peter Küspert sowie Angelika Prechtl-Marte, die Leiterin des Landesgerichts Feldkirch, angehörten, eine politisch unabhängige Weisungsspitze (Bundesstaatsanwalt), eine Verringerung der Instanzenzüge sowie klarere rechtliche Grundlagen für staatsanwaltschaftliche Verfahren.
Geheime Aufnahme
Anlass für die Untersuchung war das Auftauchen einer geheim angefertigten Aufnahme im Vorjahr, auf der Ex-Sektionschef Christian Pilnacek bei einer abendlichen Wirtshausrunde über Versuche der politischen Einflussnahme auf Verfahren sinniert. Auf dem Band hatte Pilnacek lediglich über die ÖVP gesprochen. Der langjährige Justizbeamte selbst war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits tot. Er war überraschend im Oktober 2023 gestorben.
Justizministerin Alma Zadić setzte daraufhin die Kommission ein, die prüfen sollte, ob es unsachgemäße Interventionen und andere Auffälligkeiten in staatsanwaltlichen Verfahren gegeben hat. Es sei um die Mechanismen dahinter gegangen, sagt Kreuter zur Kleinen Zeitung, die Bezeichnung „Pilnacek-Kommission“ sei falsch. Es ging in der Untersuchung auch nicht um die Umstände seines Todes.
Untersuchungskommission bestätigt Einflussnahmen
Kreutner stellte dem Justizsystem ein gutes Zeugnis aus, in einzelnen Fällen hätte sich aber gezeigt, dass es eine „höchst problematische Zwei-Klassen-Justiz“ gebe. Einerseits wurde fehlende Distanz und Äquidistanz zwischen der Justiz und der politischen Sphäre beobachtet. Eine ungesunde Nähe wird auch zu einigen Medien geortet. In dem Bericht werden etliche Grenzüberschreitungen dokumentiert, die meisten waren bereits zuvor bekannt: eine Unterredung Pilnaceks mit prominenten Beschuldigten in einem Verfahren; öffentlich gewordene Chats; Weitergabe von Informationen an Ministerbüros.
Zadić sieht sich bestätigt
Neu war ein Treffen Pilnaceks mit dem Justizsprecher einer Partei, gegen deren Regierungsmitglieder in einer Inseraten-Causa ermittelt worden war. Dabei handelt es sich nicht um die ÖVP, wie Kreutner betonte. Derartige Privatissima mit Politikern seien grundsätzlich problematisch, so der Kommissionsleiter. Der Instanzenzug im staatsanwaltlichen Verfahren sei zu zeitintensiv. „Wir sprechen vom 30-Augen-Prinzip“, sagte Kreutner. Auch diese Struktur kann dazu verwendet werden, Verfahren zu behindern.
Zadić sieht sich durch den Bericht in ihrer Forderung nach einem Senat an der Weisungsspitze der Staatsanwaltschaft bestätigt. „Die Macht muss auf mehrere Schultern verteilt werden“, so die Ministerin. Die ÖVP will einen einzelnen Bundesstaatsanwalt, zum Bericht selbst will man sich erst äußern, wenn er vollständig vorliegt.