Diese Republik hat eine „Zweiklassenjustiz.“ Das ist ein harter Befund der vom Justizministerium eingesetzten Untersuchungskommission, die den Verdacht der Interventionen in der Justiz prüfen sollte. Eine Einflussnahme gab es, sagt der Bericht. Das ist nicht überraschend.
Das Papier, das in den kommenden Tagen zur Gänze veröffentlicht werden soll, ist mehr als umfassende Status-quo-Erhebung dessen zu lesen, was die österreichische Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren in unregelmäßiger kleiner bis mittelgroßer Dosierung erfahren hat. Dass es zu viel Nähe gibt, zu viele persönliche Andockpunkte und dass Parteien dies zu ihren Gunsten auszunützen versucht.
Unter parteipolitischem Verdacht
Parteien tendieren dazu, bei jeder Regung des Rechtsstaates, die sie selbst betrifft oder auch nur berührt, parteipolitische Motive zu orten. Der vom einstigen Kanzler Sebastian Kurz in einem semi-öffentlichen Rahmen ventilierte Verdacht von „roten Netzwerken“ in der Justiz ist ein prominentes Beispiel. Eines von vielen.
Parteien können nicht anders. Auch kritische Berichte und Kommentare von Medien werden nur in Ausnahmen als möglicherweise doch berechtigte Einwände, sondern im Regelfall als ungerechtfertigte, parteiische Attacken gelesen. Üben andere Parteien Kritik, wird dies ohnehin nie ernst genommen.
Das ist der Humus, auf dem „unsachgemäße Interventionen“ gedeihen, wie sie im Bericht der Untersuchungskommission bezeichnet und in mehreren Facetten beschrieben werden. Eine öffentliche Thematisierung dieser österreichischen Usancen, ihre klare Benennung als demokratiepolitische Unzumutbarkeit werden den Missstand gewiss nicht umgehend abstellen. Es ist dennoch wichtig. Erstens ändern sich Gewohnheiten über einen längeren Zeitraum sehr wohl. Zweitens werden durch die Thematisierung jene im System gestärkt, die an dieser Änderung aktiv mitwirken wollen.
Der Bericht als gute Grundlage
Der Vorwurf der fehlenden Distanz und Äquidistanz zwischen Teilen des Justizapparats und der Politik sowie zu (einigen) Medien, wie er im Bericht auch erwähnt wird, hat natürlich viel mit der Kleinheit des Landes und der auch räumlichen Verdichtung in Wien zu tun. Neben der kulturellen Handhabung, die sich nur schwer vorschreiben lässt, sind deshalb auch strukturelle Maßnahmen notwendig, die der Bericht in einer Vielzahl von Empfehlungen ausführt.
Die Forderungen der Experten werden gewiss nicht alle umzusetzen sein. Die Kommission war zwar breit und international, aber doch mit einem Justiz-Schwerpunkt zusammengestellt. Der Bericht wird aber eine gute Grundlage bieten, nicht zuletzt auch für die Neugestaltung der Weisungsspitze der Staatsanwaltschaften. Für diese Regierung wird sich das nicht mehr ausgehen, aber es gibt ja eine Zeit nach der Wahl. Eines sollte nicht passieren: Der Bericht sollte im Wahlkampf möglichst nicht in die Fänge parteipolitischer Diskussionen gelangen. Dann war die ganze Arbeit umsonst.