Die Schnittmengen von Türkis und Grün beim Staatsbürgerschaftsrecht sind gering. Wenig verwunderlich wurde das in die Jahre gekommene Gesetz, das seit 2008 immerhin sieben Aufhebungen durch den Verfassungsgerichtshof erlebt hat, in der auslaufenden Periode nicht modernisiert. Einigen konnte sich die Bundesregierung in dieser Zeit aber auf die Verleihung von knapp 150 Staatsbürgerschaften per Ministerratsbeschluss.
Dass diese gesetzliche Möglichkeit überhaupt besteht, ist widersprüchlich. Einerseits verfügt Österreich über eines der restriktivsten Gesetze in ganz Europa und entsprechend niedrig ist auch die Einbürgerungsrate. Selbst Ungarn liegt weit vor Österreich. Andererseits erlaubt der Gesetzgeber hierzulande den Regierenden, Staatsbürgerschaften quasi zu verschenken, wenn dies „im besonderen Interesse der Republik“ liegt.
Durchschnittlich 30 Personen erhalten jedes Jahr über die Bestimmung in Paragraf 10 Absatz 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes einen österreichischen Pass, vor allem aus den Bereichen Sport, Wissenschaft und Kultur. In den vergangenen Jahren waren die Schauspielerin Mavie Hörbiger, der Opernsänger Jonas Kaufmann, der US-Historiker Timothy Snyder sowie die Dirigentin Marin Alsop darunter. Was häufig als „Promi-Einbürgerungen“ bezeichnet wird, hat bei genauerer Hinsicht aber mittlerweile wenig damit zu tun. Von den rund 150 Fällen in der auslaufenden Legislaturperiode ist nicht einmal eine Handvoll prominent. Der Großteil lebt seit vielen Jahren in Österreich oder wurde gar hier geboren.
„Dieser Paragraf steht sinnbildlich für das Staatsbürgerschaftsrecht“, sagt der Politologe Gerd Valchars, der zu diesem Themengebiet forscht. Es ist ein Überbleibsel, denn eine ähnliche Bestimmung war bereits vor fast 100 Jahren im Gesetz verankert worden. Den Behörden wurde damals generell ein großer Spielraum eingeräumt, die Judikatur hat diese Ermessenseinbürgerungen aber immer mehr in Richtung Rechtsanspruch verschoben. Nicht so bei Paragraf 10 Absatz 6.
Pass-Skandale in Kärnten
Eine Änderung ist jedoch schwierig, denn es handelt sich um eine Verfassungsbestimmung und benötigt daher eine Zweidrittelmehrheit. Wie es dazu kam, erzählt eine kuriose Geschichte. Das Staatsbürgerschaftswesen ist laut Verfassung Angelegenheit der Länder, die im Rahmen einer Novelle 1965 dem Bund nur mehr ein „bloßes Anhörungsrecht“ bei dieser Bestimmung zuweisen wollten. Der Bund entgegnete, dass es auch für ihn „eine große Bedeutung“ habe – und schob den Paragrafen in die Verfassung.
Kleinere Anpassungen erfolgten immer nur nebenbei im Zuge größerer Umbauarbeiten am Gesetz. Zum Thema wurde der Paragraf selbst erst durch Skandale ab 2010, als russische Geschäftsleute, die in Kärnten investiert hatten, zum Dank einen Pass erhielten. Auch das gibt das Gesetz her und hat auch eine europarechtliche Dimension. Die EU-Kommission hat etwa im Vorjahr Malta geklagt, weil der Inselstaat Investoren-Einbürgerungen ermöglichte. Das geht der EU zu weit.
Durch die Pass-Affären wurde diese Form der Einbürgerung in den Jahren 2012 und 2013 ausgesetzt, eine bis heute gültige Verordnung über das behördliche Procedere erlassen und ein Kriterienkatalog beschlossen. Letzterer ist vage formuliert und hat keine Rechtswirksamkeit. In den vergangenen Jahren wurden nicht nur Athletinnen, Kulturschaffende und Forscher per Regierungsbeschluss eingebürgert, sondern auch Geschäftsführer, Maschinenbauer, Geistliche und Ärzte. Fragwürdige Investoren sind nicht darunter.
Etliche eingebürgerte Sportler sind in Österreich geboren
Bei den wenigen Prominenten gehe es oft um Prestige, sagt Valchars. Doch sonst? Ein Motiv dürften Doppelstaatsbürgerschaften sein, die bei diesen Einbürgerungen möglich sind, beim herkömmlichen Weg aber nicht. Valchars ist aber auch aufgefallen, dass der Anteil Jugendlicher, die auf Basis der „erbrachten und erwarteten außerordentlichen Leistungen“ eingebürgert werden, immer größer wird und zuletzt bei durchschnittlich 30 Prozent lag. Früher waren das nur Einzelfälle.
Es fällt auf, dass vor allem in der Gruppe der Sportler etliche in Österreich geboren wurden und aufgewachsen sind, etwa Rapid-Verteidiger Aristot Tambwe-Kasengele. „Dass sie nicht einmal im Laufe ihres Heranwachsens die Staatsbürgerschaft erhalten, sondern auf diese Art eingebürgert werden müssen, zeigt, wie restriktiv das Gesetz ist“, sagt Valchars. Dazu kommt: Einige Sportverbände sehen Einsatzbeschränkungen vor, wenn Einbürgerungen nach dem 16. Geburtstag erfolgen.
Keine Änderungen geplant
Ähnlich wie bei Profifußballern sind auch in der Wissenschaft längere Auslandsaufenthalte üblich und für gute akademische Karrieren fast eine Notwendigkeit. Dies steht jedoch der Voraussetzung des „ununterbrochenen Wohnsitzes“ in Österreich entgegen, um nach zehn Jahren eingebürgert werden zu können. Eine Gastprofessur im Ausland bedeutet, dass diese Frist wieder von Neuem zu laufen beginnt.
Bei einer Einbürgerung per Regierungsbeschluss kann dieses Problem umgangen werden. Auf Nachfrage der Kleinen Zeitung sah keines der hauptsächlich betroffenen Ministerien eine Notwendigkeit, die Einbürgerungen nach Gutdünken der Regierung zu ändern. Es mag nicht mehr zeitgemäß sein, bietet aber die Möglichkeit, Härtefälle zu vermeiden. Und deren gibt es viele.