Es ist ein Wahlergebnis, von dem SPÖ-Chef Andreas Babler nur träumen kann. Mehr als 60 Prozent der Sitze im Unterhaus hat die Labour-Partei am Donnerstag im Vereinigten Königreich gewonnen. Die Konservativen, die seit 2010 den Premierminister gestellt hatten, stürzten ab. Ähnlich könnte es der ÖVP bei der österreichischen Nationalratswahl im Herbst ergehen – die SPÖ dürfte davon laut Umfragen allerdings kaum profitieren. Kann Babler von seiner britischen Schwesterpartei lernen?

Labour konzentriert sich auf Migration und Sicherheit

Eines vorweg: Dass die Labour-Party einen Erdrutschsieg feiert, verdankt sie dem britischen Mehrheitswahlrecht, in dem der jeweils stimmenstärkste Kandidat in einem Wahlkreis in das Parlament einzieht. Denn prozentuell konnte Labour nur minimal dazugewinnen, das Ergebnis liegt sogar unter dem der vorletzten Wahl 2017.

Doch was zählt, ist, dass Labour das Rennen in mehr als 400 Wahlkreisen für sich entscheiden konnte. Gelungen ist das mit einem Wahlprogramm, das sich kaum wie das einer Linkspartei liest. Erste Kapitel widmen sich nationaler Sicherheit und Migration, Labour bekennt sich zu höheren Verteidigungsausgaben, verspricht sichere Grenzen und die Bekämpfung von Schlepperei. Klassisch sozialdemokratische Themen wie Chancengleichheit durch bessere Bildung und die Verbesserung des strauchelnden Gesundheitssystems finden sich erst in den hinteren Kapiteln des 136 starken Manifests mit dem Titel „Veränderung“.

Starmer schlug Mitte-Kurs ein

Seit Keir Starmer im Jahr 2020 die Parteiführung übernommen hat, hat Labour einen mittigen Kurs eingeschlagen. Hatte Labour unter seinem Vorgänger Jeremy Corbyn im Jahr 2017 noch üppige Zugewinne errungen, erlitt die Partei bei den Neuwahlen zwei Jahre später eine krachende Niederlage. „Corbyns starke Sozialpolitik war inhaltlich sehr populär“, sagt die in Österreich lebende britische Politikwissenschaftlerin Melanie Sully. Doch innerhalb der Partei habe die Niederlage zu Debatten geführt, ob Corbyns Linkskurs oder seine halbherzige Brexit-Linie zum schwachen Abschneiden geführt hatte. Schlussendlich setzte sich Starmer als Corbyns Nachfolger durch. „Er kam zur Conclusio: Wir müssen weg von zu linker Politik“, sagt Sully. Den Verlust einzelner dezidiert linker Wähler habe man in Kauf genommen, besonders viele davon gebe es im Vereinigten Königreich ohnehin nicht. „Es ist allgemein ein sehr konservatives Land.“

SPÖ bekommt Konkurrenz von KPÖ und Bierpartei

Für die SPÖ ist die Abwägung zwischen Links und Mitte heikler. Will die SPÖ wieder den Bundeskanzler stellen, braucht sie eine möglichst breite Untersützung in der Bevölkerung, was eher für einen mittigen Kurs sprechen würde. Anderseits dürften Bablers Sozialdemokraten bei der kommenden Wahl mit KPÖ und Bierpartei neue Konkurrenz von links bekommen. „Je besser diese auftreten, desto mehr muss die SPÖ nach links abdichten“, sagt die österreichische Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle.

Sully sieht die entscheidende Stärke von Labour ohnehin abseits des neuen Mittekurses. „Was man von Starmer lernen könnte, ist die interne Disziplin der Partei. Alle ziehen an einem Strang.“ Starmer habe sich innerhalb der Partei „entschlossen, manchmal auch brutal durchgesetzt“, sagt Sully. Corbyn und einige seiner Anhänger wurden wegen Antisemitismus-Vorwürfen sogar aus der Partei ausgeschlossen.

Parteiinterne Streitigkeiten als Baustelle

Doch ausgerechnet die parteiinterne Einigkeit ist für Bablers SPÖ eine Baustelle. Der Vorsitzende kämpft mit Querschüssen aus den Bundesländern, vor allem der Dauerbrenner Migration sorgt immer wieder für Querelen. Dass die Partei in jüngsten Umfragen wieder hinter die ÖVP zurückgefallen ist, dürfte die Zweifel an Bablers Kurs erst recht nicht verstummen lassen.