Die Zahl der Krankenstände ist nach einem lockdownbedingten Rückgang im Jahr 2021 in den vergangen beiden Jahren wieder gestiegen. Die unselbstständig Beschäftigen verbrachten 2022 durchschnittlich 14,9 Tage im Krankenstand, im Folgejahr 15,4 Tage. Das geht aus dem am Dienstag präsentierten „Fehlzeitenreport“ hervor. Grund zur Sorge ist der Anstieg für ÖGK-Obmann Andreas Huss aber nicht. 2022 betrug der Krankenstand 12,3 Tage.
Nachdem sich mit dem Covid-19-Virus Infizierte in der ersten Phase der Pandemie absondern mussten, schlagen sich diese erst seit August 2022 in den Krankenstandszahlen nieder. In den Coronajahren sind die Krankenstände zurückgegangen, „weil wir sehr auf uns geachtet haben, Maske getragen, Hände gewaschen und uns distanziert haben“, sagte Huss bei der Präsentation des Reports, der seit 15 Jahren im Auftrag der Sozialversicherungsträger, der Wirtschaftskammer und der Arbeiterkammer vom Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) erarbeitet wird. „Alarmismus ist auf keinen Fall angezeigt“, resümierte er. Dass Menschen zu schnell in Krankenstand gehen, lasse sich aus den Zahlen nicht ableiten, der Forderung, der erste Tag des Krankenstandes solle unbezahlt sein, konnte er nichts abgewinnen.
Atemwegserkrankungen im Vormarsch
Der Anteil der Versicherten, die zumindest einmal in Krankenstand gingen, stieg von 57,4 Prozent im Jahr 2021 auf 71,2 Prozent 2023. Allerdings fallen die Krankenstände kürzer aus: Mit 9,3 Tagen erreichen sie ein Allzeittief. Zurückzuführen ist der Anstieg der Krankheitsfälle einerseits auf eine Zunahme bei den Atemwegserkrankungen – so stieg etwa die Zahl der Influenza-Erkrankungen in den vergangenen Jahren stark. Atemwegserkrankungen würden auch durch Umweltveränderungen häufiger. Andererseits auch psychische Erkrankungen, die für die längsten Krankenstände verantwortlich sind.
Während eine Krankschreibung bei Infektionskrankheiten bei den 15- bis 29-Jährigen im Schnitt 3,7 Tage dauerte, waren es bei psychischen Erkrankungen 23,6 Tage. Gerade bei Berufseinsteigerinnen und -iensteigern zeigen sich höhere Krankenstandsquoten, was laut Huss auch darauf zurückzuführen sei, dass diese am wenigsten selbstbestimmt arbeiten könnten.
Auch das Bewusstsein dafür, erkrankt nicht in die Arbeit zu gehen, um niemanden anzustecken, sei seit der Pandemie gestiegen, ergänzte Rolf Gleißner, Abteilungsleiter für Sozial- und Gesundheitspolitik in der Wirtschaftskammer Österreich. Für die Betriebe stelle das aber eine große Belastung dar. So sind im Jahr 2023 4,2 Prozent an Arbeitszeit und damit um 0,7 Prozentpunkte mehr Arbeitszeit aufgrund von Krankenständen verloren gegangen.
Junge bei schlechter Gesundheit
Zwar gibt es heuer noch keine Zahlen zum Zusammenhang zwischen Krankenständen und Homeoffice, Wolfgang Panhölzl, Abteilungsleiter Sozialversicherung in der Arbeiterkammer Wien, geht aber davon aus, dass Menschen immer häufiger von Zuhause aus arbeiten, anstatt in Krankenstand zu gehen, wenn sie krank sind. „Alarmierend“ sei hingegen die hohe Zahl der chronischen Erkrankungen bei Jungen (18 Prozent in der Altersgruppe 15–19). „Das zeigt ein Muster auf, dass viele Junge krank oder mit Risiko ins Erwerbsleben einsteigen.“ Auch die Zahl der Muskel- oder Skeletterkrankungen steige stark.
Auf sehr niedrigem Niveau bewegt sich hingegen die Zahl der Arbeitsunfälle. 2,7 Prozent waren im Jahr 2023 von einem betroffen. Die Zahl der Krankenstände ist unter Arbeiterinnen am höchsten, unter männlichen Angestellten am niedrigsten, betonte Christine Mayrhuber, stellvertretende Direktorin des Wifo und Studienautorin. Das liege einerseits daran, dass Männer sich in der Arbeit besser abgrenzen können, andererseits daran, dass die Belastung für Frauen außerhalb des Jobs durch Kinderbetreuung oder Pflege oft höher ist.
Um Krankenständen vorzubeugen, investiere man besonders in Prävention und unterstütze die Betriebe bei der Gesundheitsvorsorge, betonte Huss. Jährliche Mitarbeitergespräche helfen, um ein gutes Betriebsklima aufrechtzuerhalten, ergänzte Gleißner. Man müsse aber auch dafür sorgen, dass Menschen gegen Ende ihrer Berufstätigkeit noch gesund arbeiten können. Gerade in der Pflege können sich viele Frauen, für die das Pensionsalter sukzessive auf 65 Jahre angehoben wird, nicht vorstellen, bis dahin weiterzuarbeiten, sagte Panhölzl.