Der Videobeweis war eindeutig: Kanzler und Vizekanzler lagen sich in den Armen, wohlgemerkt im Berliner Olympiastadion am Dienstagabend, nicht tags darauf im Ministerrat. Die völkerverbindende Kraft des Fußballs ist keine Mär und offenbar auch auf Parteien umlegbar. Und sei es nur für den Moment.
Allerdings ist die Wahrheit nicht nur eine „Tochter der Zeit“, wie es der ehemalige ÖVP-Klubchef Andreas Khol einst formulierte, sie wird heutzutage auch von Social Media ge- und mitunter verformt. Denn wirklich ist, was gepostet wird.
Die aus politischer Sicht entscheidende Szene des letzten EM-Gruppenspiels von Österreich war nur auf dem Instagram-Kanal von Werner Kogler zu sehen. Der Sportminister saß eigentlich fünf Plätze vom Kanzler entfernt, im Siegestaumel fiel er diesem aber um den Hals.
Kanzler Karl Nehammer ließ sich für seinen Instagram-Accout nur beim Jubel mit Wolfgang Sobotka und Finanzminister Magnus Brunner filmen. Allerdings postete der Kanzler auch ein Foto seines Kabinenbesuchs nach dem Spiel – mit Kogler.
Der Ministerrat musste ohne die Parteichefs auskommen. Kogler saß mit seiner kleinen Entourage am Mittwochvormittag noch im Zug via Regensburg nach Wien, Nehammer erreichte das Bundeskanzleramt mit seinem Kabinettchef Andreas Achatz erst um 12.25 Uhr, als die beiden Klubchefs von ÖVP und Grünen, August Wöginger und Sigrid Maurer, gerade das Gebäude verließen.
Während die Grünen seit Tagen bemüht sind, die jüngste Regierungsklimaerhitzung als einen von vielen Konflikten in der Koalition herunterzuspielen, die aber trotzdem stets geliefert habe, ist die ÖVP nach wie vor um Distanzierung nach außen bemüht. Selbst auf Instagram. Da kommt der neue Disput um die Handy-Sicherstellungen vielleicht gerade recht.
Obwohl: Beim Pressefoyer nach dem Ministerrat jubilierte sogar ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek nach der raschen Einigung zur Matura-Reform: „Diese Regierung kann arbeiten!“.