In schweren Zeiten der Koalition hatte Grünen-Chef Werner Kogler stets drei Argumente parat, um die Zusammenarbeit mit der ÖVP vor der eigenen Anhängerschaft zu verteidigen. Erstens die Demontage von Ex-Kanzler Sebastian Kurz, zweitens die Fortschritte in Sachen Klimaschutz. Und drittens Justizministerin Alma Zadic. Diese, so der Tenor, lasse die Justiz frei arbeiten, es werde nichts „daschlogn“. Ermittlungen gegen hochrangige Politikerinnen und Politiker – nicht zuletzt gegen Kurz selbst – seien der Beweis dafür.

Sowohl in der Partei als auch in der Bevölkerung genießt Zadic einen guten Ruf – zumindest bis jetzt. Die Justizministerin wird als Wiener Spitzenkandidatin in die Nationalratswahl gehen, auch auf dem grünen Bundeskongress wurde sie mit 98,5 Prozent auf dem dritten Platz der Bundesliste fixiert. Beim regelmäßig durchgeführten OGM-Vertrauensindex zählt Zadic stets zu jenen Regierungsmitgliedern mit den besten Vertrauenswerten – und das, obwohl, oder gerade weil die Öffentlichkeit Zadic seltener zu Gesicht bekommt als manch anderen Minister. Die Juristin drängt kaum in die Medien. Gibt sie doch ein Interview, ist nicht mit aufsehenerregenden Sagern zu rechnen. Dafür sammelt sie in den Sozialen Netzwerken Sympathiepunkte. Auf Instagram verkündete Zadic kürzlich, ihr zweites Kind zu erwarten. Mehr als zehntausend Herzen bekam das Foto von vier Paar Turnschuhen in unterschiedlichen Größen.

Zadics Ruf hat Kratzer bekommen

Doch das Image der Ministerin als schützende Hand über der Justiz hat Kratzer bekommen. Die Reform der Strafprozessordnung – und damit der Sicherstellung von mobilen Datenträgern – wird für Zadic zur Bewährungsprobe. Unbedingt wollte die Bundesregierung die heikle Reform noch vor dem Sommer abgehakt wissen. Entsprechend einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) soll künftig eine richterliche Genehmigung für die Sicherstellung eines Datenträgers nötig sein, wobei auch festgelegt werden muss, welche Daten ausgewertet werden dürfen. Kritiker orten eine Entmachtung der Staatsanwaltschaften: Diese sollen künftig nur jene Daten zur Auswertung erhalten, die nach Einschätzung der Kriminalpolizei in die Vorgaben des Gerichts fallen.

Mit der Justiz war der Entwurf offenbar nicht koordiniert, mehrere Interessensvertretungen beklagen mangelnde Einbindung. Für Verstimmung sorgt dazu die nur zweiwöchige Begutachtungsfrist. Nur wenige Tage nach Ende der Frist hätte das Gesetz Anfang Juli bereits den Nationalrat passieren sollen. „Eine fundierte Stellungnahme [...] ist den Begutachtungssenaten bei einer derart kurzen Frist nicht möglich“, bemängelten zuletzt etwa die Präsidentin und die Präsidenten der vier Oberlandesgerichte. Auch von der Richtervereinigung sowie den Staatsanwaltschaften kamen scharfe Töne.

Begutachtungsfrist soll verlängert werden

Hatten die Grünen das Vorhaben der Koalition am Montag noch verteidigt, vollzog Zadic am Dienstag eine Kehrtwende. Die Begutachtungsfrist soll bis Ende Juli, also auf insgesamt sechs Wochen, verlängert werden. Der Beschluss würde demnach wohl erst im September erfolgen. In einem ersten Statement stellte Zadic auch Änderungen am Gesetzesentwurf in Aussicht.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) geht indes immer noch von einem Beschluss im Juli aus. Der türkis-grünen Koalition, die bereits durch den Alleingang Leonore Gewesslers beim Renaturierungsgesetz schwer belastet wurde, droht also ein weiterer Streitpunkt. Dabei müssen die beiden Partner trotz Meinungsverschiedenheiten eine funktionierende Gesprächsbasis wahren, wenn sie vor der Wahl im Herbst noch zentrale Weichen stellen wollen.

Zadic gilt als Kandidatin für Spitzenposten

Eine davon könnte auch Zadic persönlich betreffen. Demnächst soll im Ministerrat ein umfassendes Personalpaket beschlossen werden, es gilt, den EU-Kommissar sowie die Leitung der Oesterreichischen Nationalbank und der Finanzmarktaufsicht zu besetzen. Zadic soll Gerüchten zufolge als mögliche Kandidatin für einen Posten am Europäischen Gerichtshof gehandelt werden – was die Justizministerin bis dato aber dementiert.