Am Samstag präsentierte die SPÖ-Bundespartei mit Andreas Babler an der Spitze das „Refreshment“ ihres Migrations- und Asylkonzepts – am Sonntag war mit Burgendlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) dessen hartnäckigster interner Kritiker in der ORF-Pressestunde zu Gast. In diesem Papier aus 2018 fordert die SPÖ unter anderem schnellere Verfahren an den EU-Außengrenzen, eine faire Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU samt Sanktionen gegenüber Staaten, die das verweigern, sowie mehr Rückführungen.

Dass Österreich nicht „Herr der Lage“ sei, dafür trage in erster Linie die ÖVP die Verantwortung, stelle diese doch seit zwei mehr als Jahrzehnten – mit einer zweijährigen Unterbrechung durch FPÖ-Innenminister Herbert Kickl – die Innenminister, „aber niemand spricht darüber“. Der Kanzlerpartei warf Doskozil zudem Ablenkungsmanöver vor – Stichwort Schengen-Boykott für Rumänien und Bulgarien –, aber Desinteresse an der Mitarbeit an strukturellen Lösungen. Österreich schaffe es schlicht nicht, abgelehnte Asylwerber auch wirklich abzuschieben. Doch dazu brauche es ein Abkommen mit der Türkei und auch finanzielle Unterstützung.

An die eigene Partei gewandt, pochte Doskozil auf der Umsetzung seiner Forderung nach einer Obergrenze von 10.000 Asylaufnahmen, doch davon will die SPÖ auf Bundesebene beharrlich nichts wissen. Dass er sich nicht am „Refreshment“ beteiligte, begründete er so: „Weil es sicher den ein oder anderen Punkt gegeben hätte, den ich anders gesehen hätte“. So seien Verfahren an der EU-Außengrenze zwar zweifellos richtig und wichtig, was aber nicht drinnen stehe, sei: „Was passiert dann in weiterer Folge?“, so Doskozil.

Platz eins für SPÖ unwahrscheinlich

Als „Wunschkoalition“ nach der Wahl am 29. September nannte er eine Zusammenarbeit von SPÖ, Grünen und Neos, an deren rechnerische Wahrscheinlichkeit glaubt Doskozil aber nicht mehr. Am wahrscheinlichsten erscheint ihm eine Schwarz-Blaue Regierung, trotz aller Bekundungen der Volkspartei, Kickl nicht zum Kanzler zu machen. „Wenn Karl Nehammer ein zweistelliges Minus einfährt, dann wird er nicht weitermachen können, dann wird jemand anders übernehmen“, ist Doskozil überzeugt.

Ziel müsse es deshalb aus Sicht der SPÖ sein, inhaltlich zu zeigen, „dass wieder eine große Koalition möglich ist“. Allerdings ist für Doskozil weitgehend wahrscheinlich, dass weder ÖVP und SPÖ eine gemeinsame Mehrheit noch die Sozialdemokratie Platz eins schaffen werde: „Ich schraube die Erwartungshaltung nicht zu weit nach oben, aber wenn wir ein klares Plus verzeichnen, wäre ich schon zufrieden“. 2019 kam die SPÖ auf 21,2 Prozent. Für die Sozialdemokratie gehe es darum, die Trendwende zu schaffen. „Wenn ich nicht in der Lage wäre, Wahlen zu gewinnen, wüsste ich, was ich zu tun hätte“, nämlich abzuziehen. „Das Credo gilt auf allen Ebenen“, legte er seinem Parteichef Andreas Babler indirekt den Rückzug im Falle einer Wahlschlappe nahe.

Soll es gelingen, eine Regierungsbeteiligung der FPÖ zu verhindern, präferiert Doskozil dementsprechend eine Dreierkoalition mit ÖVP und SPÖ. Als wohl notwendigen dritten Partner seien laut Doskozil die Neos deutlich wahrscheinlicher als die Grünen, hätte mit diesen doch nicht nur die ÖVP aufgrund der jüngsten Zustimmung von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) zum EU-Renaturierungsgesetz ein Problem, sondern auch die Wiener SPÖ wegen des Lobautunnels.

Kritik an Ludwig und Kaiser

Zum Renaturierungsgesetz brachte der burgenländische Landeshautmann recht grundsätzliche Einwände vor: Niemand wisse zum heutigen Zeitpunkt, welche konkreten Konsequenzen das nun auf EU-Ebene beschlossene Vorhaben bringe – bei der künftigen Raumplanung, aber auch finanziell. Damit stellte er sich auch gegen die Zustimmung Gewesslers im EU-Rat gegen den Willen der ÖVP und sieben von neun Bundesländern. Dementsprechend übte er auch unverhohlen Kritik am Vorgehen der Landeshauptleute Wiens und Kärntens, Michael Ludwig und Peter Kaiser (beide SPÖ), die aus der geschlossenen Ablehnung der Länder ausscherten. Dies sei nicht sein Politikverständnis.

Zur Sprache kam auch Doskozils unverkennbar angeschlagene Stimme: Im März sei er zum siebten Mal am Kehlkopf operiert worden, stellte er nüchtern fest, doch das sei „fast schon Routine“ für ihn.