Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler hatte in den vergangenen Tagen viel zu beschwichtigen und zu schlichten. Nach Leonore Gewesslers Alleingang beim EU-Renaturierungsgesetz geriet der Koalitionspartner ins Visier der ÖVP. Am Donnerstag brachte die ÖVP nun eine Anzeige gegen Gewessler wegen Amtsmissbrauch ein.
Trotz dieser schweren Krise in der Koalition, der Causa Lena Schilling und den Verlusten bei der Salzburg-, Innsbruck- sowie bei der EU-Wahl Anfang Juni (ein Mandat verloren) schreibt Kogler eine neuerliche Regierungsbeteiligung der Grünen nicht komplett ab. „Nach der Wahl werden wir hoffentlich gestärkt genug sein, dass wir in Sondierungen und Verhandlungen eintreten können“, sagte Kogler Donnerstagabend im ZiB 2-Interview. Dies könne er sich auch erneut mit der ÖVP vorstellen. „Wir kämpfen nur darum, dass die Rechtsextremen nicht in die Regierung kommen“, versicherte der Grünen-Chef.
Bestätigung vom Landwirtschaftsminister war nicht nötig
Wie groß das Interesse der ÖVP daran ist, erneut mit den Grünen zu koalieren, dürfte allerdings mehr als fraglich sein. Zu viel Porzellan wurde wohl mit Gewesslers Ja zur Renaturierung zerschlagen. Für Kogler besteht allerdings kein Zweifel an der Notwendigkeit der Entscheidung: „Wir haben zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle für den Naturschutz entschieden. Damit haben wir den Unterschied gemacht, für ganz Europa“, betonte Kogler.
Dass seine Umweltministerin sich vor dieser Entscheidung noch mit Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig abstimmen hätte sollen, sah der Vizekanzler nicht also notwendig. „Die Umweltministerin hat in Brüssel entschieden, weil sie Österreich dort repräsentiert“, erklärte er im „ORF“. Als Gegenbeispiel brachte Kogler Österreichs lange Verweigerung bezüglich des Schengen-Beitritts von Rumänien und Bulgarien auf den Tisch. Bei dieser Sache wären die Grünen auch anderer Meinung als die ÖVP, dennoch hätte der Koalitionspartner entschieden.
Sideletter zum EU-Kommissar hinfällig
Auf die Frage, wie viel angesichts der Eiszeit in den restlichen drei Monaten der Legislaturperiode noch weitergehen wird, antwortete Kogler mit einer Aufzählung der Themen, die noch im Nationalrat behandelt werden sollen – unter anderem die Reduzierung der Abhängigkeit von russischem Gas. Versprechen, dass das Gasdiversifizierungsgesetz in von Grünen gewünschter Form noch umgesetzt wird, konnte Kogler jedoch keines abgeben.
Bezüglich des neuen österreichischen EU-Kommissars zeigte sich Kogler zuversichtlich. Laut einem Sideletter, den auch er unterschrieben hat, soll die ÖVP zwar das Vorschlagsrecht halten, er sei jedoch von einer richtigen Personalentscheidung überzeugt. Auch deshalb sehe er kein großes Problem darin, dass er sich nicht mehr an diese Vereinbarung halten möchte, „weil sich die Voraussetzungen geändert haben“. Öffentlich wolle er darauf aber nicht näher eingehen.