Die Pharmaindustrie wird dazu verpflichtet, ihre Lagerbestände für kritische Arzneimittel zu erhöhen: Sie müsse von rund 700 wichtigen Medikamenten einen Bedarf von vier Monaten einlagern, teilte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) am Donnerstag in einer Aussendung mit. Neben Medikamenten gegen Erkältungssymptome zählen dazu auch Schmerzmittel und Antibiotika. Die EU-Kommission habe die entsprechende Bevorratungsverordnung des Gesundheitsministeriums genehmigt.
Die Verordnung definiert rund 700 kritische Medikamente, von denen ein Bedarf von vier Monaten eingelagert werden müsse. Dazu zählen insbesondere Schmerzmittel, Antibiotika, Medikamente gegen Erkältungssymptome, aber auch Präparate für chronische Herz-Kreislauf- oder Lungen-Erkrankungen. Die Lager würden in den kommenden Monaten gefüllt, sodass die Medikamente bereits in diesem Winter zur Verfügung stehen. Um den vollen Lagerstand zu erreichen, habe die Industrie zehn Monate Zeit. „Wir stellen damit sicher, dass es zu keinem Versorgungsengpass im Winter kommt“, wird Rauch zitiert.
Vorlaufzeit von fast einem Jahr
Dem widersprach der Generalsekretär des Verbands der pharmazeutischen Industrie Pharmig, Alexander Herzog. „Wir verstehen, dass die Politik zur Sicherstellung der Medikamentenversorgung aktiv sein möchte und es auch ist. Allerdings sind nationale Vorratslager nicht die richtige Lösung. Sie kosten viel Geld, sind aufwendig in der Betreibung und können die Medikamentenversorgung durch das zusätzliche Umlenken der Ware noch verschärfen“, sagte Herzog in einer Aussendung.
Die Verordnung sei „eine gut gemeinte Maßnahme. Sie ist aber aus unserer Sicht nur bedingt zielführend“, sagte Herzog im Ö1-Morgenjournal. Für den kommenden Winter werde sie keine Folgen haben, weil die pharmazeutische Industrie eine Vorlaufzeit von fast einem Jahr für die Bereitstellung neuer Produkte habe. „Falls es eine Auswirkung haben sollte, ob die negativ oder positiv ist, werden wir sie voraussichtlich erst im übernächsten Winter sehen.“ Die pharmazeutische Industrie habe die Produktion ohnehin schon „bis zum Anschlag hochgefahren“. Das Problem sei daher nicht die Produktion, sondern die Verteilung. Die Versorgung könne nur europaweit gelöst werden.
Auch Rauch betonte, dass es langfristig eine europäische Lösung erfordere, die alle Mitgliedstaaten gleichermaßen absichere. „Das werde ich in Brüssel weiterhin einfordern“, so der Minister. Die Kosten, die der pharmazeutischen Industrie durch die erhöhte Arzneimittelbevorratung entstehen, können auf Antrag durch das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) erstattet werden, hieß es.
Bereits an Kapazitätsgrenze
„Diese Maßnahme ist eine Reaktion auf Lieferengpässe von Medikamenten, die sich in den letzten Jahren vor allem durch ein fatales Dreieck von steigenden Kosten, wachsenden regulatorischen Anforderungen und beständig sinkenden Medikamentenpreisen immer weiter verschärft haben“, reagierte der Österreichische Generikaverband auf die Ankündigung aus dem Gesundheitsministerium. Eine wirtschaftliche Vermarktung werde für viele Hersteller – insbesondere bei bereits vorhandenen günstigen Generika – schwieriger.
Die verpflichtende Einlagerung sei kritisch zu sehen, so der Generikaverband, da die Industrie bereits an der Kapazitätsgrenze arbeiten würde. „Wir können nichts bevorraten, was nicht hergestellt wird“, warnt Wolfgang Andiel, Präsident des Österreichischen Generikaverbandes. Rund ein Viertel der generischen Arzneimittel seien innerhalb von zehn Jahren bereits aus dem Europäischen Markt verschwunden, darunter Antibiotika und Krebsmedikamente. 72 Prozent der patentfreien Medikamente würden nur noch von ein bis drei Herstellern hergestellt. Weltweit gebe es für mehr als 50 Prozent der generischen Wirkstoffe nur noch weniger als fünf Generikahersteller. Eine wie nun in Österreich vorgegebene Verpflichtung zur Einlagerung von Medikamenten könnte unter diesen Umständen die Dynamik des freien Marktes erheblich stören, so der Generikaverband.