„Wir sind ja nicht im Kindergarten oder auf irgendeinem Jugendlager, wo man sich beleidigt zur Seite dreht“, erklärt Grünen-Chef Werner Kogler nach dem Alleingang seiner Umweltministerin Leonore Gewessler beim EU-Renaturierungsgesetz, aufgrund dessen die Koalition mit der ÖVP kurz auf der Kippe stand. Entsprechend zuversichtlich zeigt er sich, was den Beschluss noch offener Projekte in den kommenden Wochen bis zur Wahl am 29. September angeht. Am Samstag fixiert ein Bundeskongress die Wahllisten der Grünen mit Kogler als Spitzenkandidaten.
Dass die ÖVP eine Anzeige gegen Gewessler wegen Amtsmissbrauchs ankündigte und Parteichef Bundeskanzler Karl Nehammer von einem „mehr als schweren Vertrauensbruch“ sowie dem „wahren Gesicht“ der Ökopartei sprach, kommentiert Kogler entspannt: „Wir sehen diesen Ankündigungen auch rechtlicher Art sehr gelassen entgegen“, bekräftigte Kogler, denn schließlich habe man „alle Schritte rechtlich abgesichert“. Und „unser wahres Gesicht ist, dass wir für Klima-, Umwelt- und Naturschutz brennen und uns einsetzen“.
Auch, dass die Zusammenkunft beim wöchentlichen Ministerrat von ÖVP und Grüne diesen Mittwoch ausgelassen wurde, irritiert den Grünen-Chef nicht wirklich. Er geht davon aus, dass es sehr wohl wieder gemeinsame Auftritte der Koalitionspartner geben werde. Es liege einiges im Nationalrat und er sei „überzeugt und zuversichtlich“, dass ÖVP-Klubchef August Wöginger und die Grüne-Klubchefin Sigrid Maurer alles gut über die Bühne bringen. Es gehe etwa um Lohn statt Taschengeld für behinderte Menschen, Gemeindemilliarden oder Besserstellungen für Studierende.
Kogler sieht noch viele offenen Themen
Kogler glaubt aber auch trotz des Zerwürfnisses, dass noch weitere Vorhaben umgesetzt werden, etwa im Zusammenhang mit einem rascheren Verbot der Vollspaltenböden in der Schweinehaltung: „Auch das wird gelingen, ich bin zuversichtlich.“ Auch im Bereich der Sicherheit sei „immer was zu tun“, verwies Kogler etwa auf die Luftabwehr-Initiative „Sky Shield“. Das sei ja auch der ÖVP ein wichtiges Anliegen. Zudem nannte Kogler Steuersenkungen, hier geht es um die Verteilung des letzten Drittels der Kalten Progression. Weiters sei beim Ausstieg aus russischem Gas noch einiges zu tun. Offen ist aber beispielsweise auch das Elektrizitätswirtschaftsgesetz.
Gefragt, ob er ernsthaft glaube, dass die ÖVP mit den Grünen noch Vorhaben speziell aus Gewesslers Bereichen umsetzen wird, entgegnete Kogler: Es gehe um gemeinsame Verantwortung, „da geht es ja nicht um die ÖVP für sich genommen oder um irgendwelche Funktionäre, die irritiert sein mögen“. Man habe schließlich „mit Irritationen in der ÖVP laufend zu tun“. Kanzler Nehammer agiere aber grundsätzlich sehr verantwortungsvoll. „Bitte, wir sind ja nicht im Kindergarten oder auf irgendeinem Jugendlager, wo man sich beleidigt zur Seite dreht. Unser Regierungsprogramm heißt ‚Verantwortung für Österreich‘, und genau das werden wir weiter leben.“
Personalpoker der Koalition um Top-Jobs
Was die noch anstehenden Personalentscheidungen der Regierung angeht, will sich Kogler noch nicht in die Karten blicken lassen, hatte er zuletzt doch erklärt, sich nicht mehr an jenen Sideletter gebunden zu fühlen, der der ÖVP die Besetzung des EU-Kommissars zugesteht. Der Vizekanzler verwies darauf, dass es gesetzlich vorgegeben einer Einigung im Ministerrat und einer Mehrheit im Hauptausschuss bedürfe. „Wir werden auch eine Einigung anstreben und es wird dazu kommen.“ Die Frage der Gültigkeit des Sideletters sei für ihn nicht erst jetzt aufgetaucht, „es war für mich viel länger schon klar und ich habe es auch ausgesprochen, dass diese ehemaligen Vereinbarungen hinfällig sind, weil Voraussetzungen weggefallen sind, und dabei belasse ich es jetzt auch“. Die Gründe wolle er öffentlich nicht erörtern. „Es ist jedenfalls so.“ Die Personalentscheidungen werde man „so gewissenhaft machen wie bis jetzt“, versicherte Kogler.
Eine weitere Regierungsbeteiligung der Grünen dürfte nach den Ereignissen der vergangenen Tage noch unwahrscheinlicher geworden sein. Kogler gibt sich allerdings „entspannt“ und glaubt nicht, dass nach der Wahl jetzt keine Partei mehr mit den Grünen eine Koalition eingehen würde. „Erst ist einmal vor der Wahl.“ Man trete an für Klima- und Naturschutz, aber auch für „wirtschaftliche Vernunft“ und soziale Absicherung – „diese Mischung gibt es nur mit den Grünen und dafür bewerben wir uns“. Nach der Wahl müsse man sich anschauen, „was demokratische Mehrheiten ermöglichen“, meinte Kogler. „Wir sind natürlich interessiert, dass wir so stark werden, dass wir in Sondierungen und Verhandlungen eine Rolle spielen.“