Leonore Gewessler stimmte für das EU-Renaturierungsgesetz. Damit löste die Umwelt- und Klimaschutzministerin die schwerste Krise der schwarz-grünen Koalition der aktuellen Legislaturperiode aus. Gewessler setzte sich mit ihrem Ja zur Renaturierung über den Kopf der ÖVP hinweg. Bundeskanzler Karl Nehammer warf ihr daraufhin Gesetzes- und Verfassungsbruch vor und kündigte eine Anzeige gegen Gewessler wegen Amtsmissbrauchs an. Die Koalition will er so kurz vor dem regulären Ende jedoch nicht aufkündigen, auch wenn „die Emotion“ dafür gegeben wäre.

„Das ist tatsächlich einzigartig“, schildert Thomas Hofer im Interview mit Armin Wolf die Situation, die sich mit Leonore Gewesslers Alleingang nun ergeben hat. Der Politikberater sprang kurzfristig als Gesprächspartner ein, nachdem sich keine Politikerin und kein Politiker der ÖVP am Montagabend zu der Causa in der ZiB 2 äußern wollte.

Klares Signal für die Zielgruppe der ÖVP

„Das ist natürlich eine absolute Zuspitzung in der Koalition“, betont Hofer. Allerdings habe der Bundeskanzler der „rechtlichen Keule“ nicht die logischen politischen Konsequenzen folgen lassen. Nämlich: ein Ansuchen bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen zur Entlassung von Ministerin Leonore Gewessler, weil sie, aus Sicht der ÖVP, die Verfassung gebrochen hat. „Das ist eine typisch österreichische Lösung. Deutlich angefahren, Unglaubliches angekündigt, aber vor den politischen Konsequenzen zurückgeschreckt“, sagt Hofer. Nehammers Reaktion hätte vor allem dem Zweck gedient, der eigenen Zielgruppe ein klares Signal zu geben. Nämlich, dass sich die ÖVP nicht vom kleinen Koalitionspartner vorführen lasse.

Verwundert zeigte sich der Politikexperte darüber, dass die ÖVP scheinbar etwas überrumpelt von Gewesslers Ja zum Renaturierungsgesetz war. „Die ÖVP hätte das eigentlich wissen können. Beim Lobautunnel war es ähnlich“, so Hofer. Inhaltlich dürfte in den verbleibenden drei Monaten der Koalition nicht mehr viel gehen, nimmt Hofer an. „Und sollte sich nach der Wahl eine Dreierkonstellation ohne die FPÖ ergeben, dann ziemlich sicher mit den Neos und nicht mit den Grünen.“