Für Bundeskanzler Karl Nehammer und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (beide ÖVP) war die Angelegenheit klar: Österreich habe bereits an den Rat der EU kommuniziert, dass es sich bei Abstimmung zum umstrittenen Renaturierungsgesetz am Montag enthalten werde, schrieben die beiden Montagfrüh an den belgischen Premierminister Alexander de Croo und Alain Maron, Umweltminister der Region Brüssel. „Deshalb wollen wir betonen, dass die österreichische Bundesministerin für Klimaschutzmaßnahmen, Leonore Gewessler, ihre Zustimmung zum Renaturierungsgesetz nicht geben darf“, heißt es in dem Schreiben.
Belgien hat aktuell den Vorsitz im Rat der EU inne, indem die jeweils zuständigen Fachminister der einzelnen EU-Staaten vertreten sind, und überblickte damit auch die Abstimmung über den kontroversen Gesetzesvorschlag. Dank Gewesslers Zustimmung erreichte das Gesetz, das auf die Wiederherstellung von natürlichen Lebensräumen abzielt, die nötige Mehrheit unter den EU-Fachministern. Die ÖVP lehnt das Renaturierungsgesetz strikt ab – und ist über den Alleingang der grünen Ministerin empört.
Gewessler selbst wandte sich später gemeinsam mit Vizekanzler Werner Kogler ebenfalls in einem Brief an die belgische Regierung. „Wir bedauern, dass Sie durch einen Brief des Bundeskanzlers und einer Bundesministerin in österreichische innenpolitische Auseinandersetzungen involviert wurden“, schreiben sie. „Die Behauptungen sind nicht richtig und geben die rechtliche Situation in Österreich nicht korrekt wieder.“
Denn die von Nehammer und Edtstadler erwähnte Absicht Österreichs, sich bei der Abstimmung über das Gesetz zu enthalten, sei nicht mit Gewessler koordiniert worden. Außerdem sei eine solche Ankündigung rechtlich nicht bindend und die zuständige Ministerin könne sich bis zur tatsächlichen Abstimmung umentscheiden. Dazu komme, dass der österreichische Kanzler anders als sein deutsches Pendant keine „Richtlinienkompetenz“ und damit nicht das letzte Wort habe, wenn es zu Unstimmigkeiten innerhalb seines Kabinetts komme.
Die belgische Regierung scheint allerdings wenig Interesse am österreichischen Koalitionsstreit zu haben. „Abgestimmt wird vom anwesenden Minister, so läuft das ab“, hatte Maron im Vorfeld des Treffens der EU-Umweltminister gesagt. „Abgesehen davon ist das eine innerösterreichische Kontroverse, die mich nichts angeht.“