Das Ja von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) zum EU-Renaturierungsgesetz gegen den erklärten Willen der Kanzlerpartei ist nicht nur politisch hochexplosiv, sondern auch rechtlich. So will die ÖVP nun mit einer Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen das umstrittene EU-Gesetz vorgehen und hat zudem in Österreich Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs gegen Gewessler eingebracht.
Entscheidend ist dabei die Frage, ob Gewessler das Recht hatte, für das Gesetz zu stimmen, wenn es eine einheitliche Stellungnahme der Länder dagegen und keine Zustimmung des ebenfalls betroffenen Landwirtschaftsministeriums gibt. Nein, wenn es nach dem im Kanzleramt angesiedelten Verfassungsdienst gegangen wäre. Das sieht auch der Europarechtsexperte Walter Obwexer so, der die ablehnende Stellungnahme der Länder weiter in Kraft sieht und auch die Zustimmung von Agrarminister Norbert Totschnig (ÖVP) als zwingend beschreibt. Die Grünen berufen sich auf Gutachten, die sie selbst in Auftrag gegeben haben und die das Ja Gewesslers als rechtskonform betrachten.
Für die Republik sind das entscheidende Fragen, weil sich auch künftige Koalitionen wohl oft nicht einig sind, wie Österreich auf EU-Ebene abstimmen soll. Ein verlässliches Verfahren für die innerstaatliche Willensbildung ist dafür unerlässlich. Kritiker der Grünen sehen dieses nun ausgehebelt und die Institution des Verfassungsdienstes beschädigt. Die Grünen wiederum verweisen darauf, dass dann auch der Verfassungsdienst nicht belastet werden dürfe durch parteipolitisch motivierte Besetzungen.
Macht durch Geschlossenheit
Rechtlich ungeklärte Fragen gibt es zudem auf Länderebene. Ob die einheitliche Stellungnahme gegen das Renaturierungsgesetz weiter aufrecht ist oder eben nicht, ist für den Föderalismusexperten Peter Bußjäger der massivste Konflikt im Verhältnis Bund-Länder seit dem EU-Beitritt. Teils sieht er die neun Länder selbst in der Verantwortung, weil in der Verfassung eine einheitliche Stellungnahme nicht genau definiert ist und auch die Länder selbst kein Verfahren festgelegt haben, wie eine solche abgeändert werden könne.
Tatsächlich beruht die durchaus erhebliche Macht der Landeshauptleute darauf, dass diese, über die Parteigrenzen hinweg, einheitlich und geschlossen auftreten. Fällt dies weg, ist damit wohl ein erheblicher Machtverlust der Länder gegenüber dem Bund verbunden. Bußjäger geht davon aus, dass die Länder weiter auf ihrem eher informalen Weg bleiben und auch keine detaillierte Geschäftsordnung für die Landeshauptleutekonferenz ausarbeiten.