Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat Belgien als Ratsvorsitz darüber informiert, dass eine Zustimmung von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) zur EU-Renaturierung rechtswidrig wäre. Wie das Bundeskanzleramt am Montag erklärte, müsse es „bei der bereits gemäß den üblichen Verfahren eingemeldeten Stimmenthaltung Österreichs bleiben“, ansonsten werde es zu einer Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) kommen.

Aber hat der Bundeskanzler überhaupt das Recht, diesen Schritt zu setzen? Tatsächlich sieht das österreichische Bundes-Verfassungsgesetz die Ministerverantwortlichkeit für deren Zuständigkeitsbereich vor. Der Kanzler agiert in der Regierung nur als „primus inter pares“, als Erster unter Gleichen, hat aber – im Unterschied zu seinem deutschen Amtskollegen – keine Richtlinienkompetenz. Dass Nehammer gerne „Aufträge“ an Minister erteilt, ist deshalb ein rein politischer Akt, der auch nur bei Ministern der eigenen Partei funktioniert.

Eben deshalb zielt die ÖVP mit seinem jüngsten Schritt auf die Rechtmäßigkeit der innerstaatlichen Willensbildung, nicht auf die inhaltliche Ebene. Diese sieht das Kanzleramt eben nicht gegeben, weil – aus dessen Sicht – eben die einheitliche Willenserklärung der Länder weiter in Kraft sei, und, zweitens, es eine Zustimmung des ÖVP-geführten Landwirtschaftsministeriums gebraucht hätte.

ÖVP hofft auf Belgiens Zweifel

Das Bundeskanzleramt verwies darauf, dass eine „aufrechte negative Stellungnahme der Bundesländer vorliegt und das notwendige Einvernehmen zwischen den betroffenen Bundesministerien fehlt“. Daher sei wie in anderen Staaten auch „die Voraussetzungen für eine Zustimmung zum vorliegenden Entwurf nicht gegeben“. Das Einbringen einer derartigen Nichtigkeitsklage müsste laut Bundeskanzleramt durch das zuständige Regierungsmitglied, in diesem Fall wohl Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), erfolgen. Ein Ministerratsbeschluss und damit die Zustimmung der Grünen wäre nicht notwendig.

Auch im Büro von Ministerin Edtstadler geht man von einem rechtlichen Graubereich aus. Der Kanzler habe nun an den „belgischen Ratsvorsitz appelliert“. Das Kalkül könnte sein, dass eine Abstimmung im Rat der Umweltminister dem Ratsvorsitz selbst zu heikel wird, weil es zu viele offene rechtliche Fragen gebe – und man deshalb heute auf ein Votum verzichtet.

Es bleibt spannend, europa-, aber vor allem innenpolitisch.