„Die Zeit der Entschlossenheit ist gekommen“, sagt Umweltministerin Leonore Gewessler am Sonntag. Sollte es am Montag zu einer Abstimmung über das Renaturierungsgesetz kommen, „kann sich der belgische Vorsitz auf mein Ja verlassen“, kündigte die Ministerin in einer Pressekonferenz an.
Das Renaturierungsgesetz sieht vor, dass EU-weit mehr Wälder aufgeforstet, Moore wieder vernässt und Flüsse in ihren natürlichen Zustand zurückversetzt werden. Im EU-Parlament ist das Renaturierungsgesetz bereits beschlossen, die nächste Hürde ist die Zustimmung des Rats der Europäischen Union, der sich aus den zuständigen Ministerinnen und Ministern der einzelnen Mitgliedstaaten zusammensetzt.
Gewessler zu EU-Renaturierungsgesetz:
Abstimmung am Montag
Eben diese Minister treten am Montag in Luxemburg zusammen, darunter auch Gewessler. Notwendig wäre eine Qualifizierte Mehrheit: Das bedeutet, dass 55 Prozent der Mitgliedstaaten, die zugleich 65 Prozent der Gesamtbevölkerung in der EU abdecken, ihre Zustimmung geben müssen. Ob sich das ausgeht, ist fraglich. Möglich ist auch, dass die Entscheidung vertagt wird
Bisher hatte Gewessler betont, das Renaturierungsgesetz zu befürworten – wegen einer einheitlichen, ablehnenden Stellungnahme der Bundesländer dürfe sie aber nicht zustimmen. Wien und Kärnten haben ihren Widerstand mittlerweile aufgegeben. Die Wiener Landesregierung hat mittlerweile ihre Zustimmung auch formal beschlossen. Bisher war rechtlich unklar, ob sich Gewessler unter diesen Voraussetzungen über das Nein der übrigen Länder hinwegsetzen darf. Ebenso ist nicht sicher, ob auch Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig seinen Segen geben muss. Er hat das Renaturierungsgesetz bisher abgelehnt.
„Ich habe umfassende rechtliche Expertise eingeholt, mich mit Juristen beraten und niemand hat einfaches Bild der Situation gezeichnet“, sagt Gewessler am Sonntag. Doch mit dem Beschluss Wiens sei Gewessler Zustimmung rechtens, zeigte sie sich bei einer Pressekonferenz zuversichtlich. Angst, ihr Alleingang könnte die Koalition sprengen, habe sie nicht. Auch ÖVP-Minister hätten in der Vergangenheit im Rat der EU für Gesetzesvorhaben gestimmt, zu denen es keine grüne Zustimmung gegeben habe.
Empört zeigt sich am Sonntag Verfassungsministerin Karoline Edtstadler: „Wenn Bundesministerin Leonore Gewesseler morgen im Rat so abstimmt, wie sie es heute in ihrer Pressekonferenz angekündigt hat, begeht sie vorsätzlichen einen Verfassungs- und Gesetzesbruch“, schreibt sie auf X, vormals Twitter. Gewesslers Vorgehen sei „in höchstem Maße unverantwortlich und befremdlich“ und müsse rechtliche Konsequenzen haben.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sagte am Rande der Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz, es gebe klare Regeln. „Ich gehe davon aus, dass die Ministerin, die Verfassung einhalten wird, auf die sie angelobt ist.“ Eine Zustimmung Gewesslers wäre „das Ziel“, aber „juristisch nicht ganz einfach“, meinte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). Er sei davon überzeugt, dass das Klimaschutzministerium noch rechtliche Beratungen einholt, so Kogler in der „Presse“ (Sonntag-Ausgabe). „Es ist Neuland. Aus meiner Sicht - und der Sicht verschiedener Juristen - bestehen durchaus Möglichkeiten, diese Blockade der Länder rechtlich zu hinterfragen.“
Der Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas (ÖVP), hoffte indes auf eine Zustimmung der EU-Umweltminister zum Renaturierungsgesetz am Montag, wie er am Sonntag in der Pressestunde des ORF sagte. Ob auch Gewessler zustimmen könne, sei eine Frage der innenpolitischen Kompetenzen, meinte er.
80 Prozent befürworten Renaturierung laut Umfrage
Die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher dürfte das Renaturierungsgesetz indes befürworten. Laut einer Umfrage, die das Market-Institut im Auftrag der Umweltschutzorganisation WWF durchgeführt hat, sind 82 Prozent der 1000 Befragten der Meinung, dass die Politik dem Gesetz zustimmen sollte. Während die Unterstützung unter Grünen-, Neos- und SPÖ-Wählern am größten ist, würden auch die Mehrheit der FPÖ- und ÖVP-Wähler ein Renaturierungsgesetz begrüßen.