Die Menschen in Österreich breiten sich aus. Der Grad der Zersiedelung hat zwischen 1975 und 2020 massiv zugenommen, hat eine Analyse der Universität für Bodenkultur (Boku) und des deutschen Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung (IÖR) ergeben. Konkret bedeutet das: Mehr und mehr Einfamilienhäuser, Gewerbeflächen oder Einkaufszentren wurden abseits von bestehenden Ortsstrukturen und Stadtzentren gebaut.

Studienautorin Anna-Katharina Brenner vom IÖR hat Österreich in 100 mal 100 Meter große Quadrate aufgeteilt und untersucht, ob und wie diese bebaut sind. Unter Einbeziehung der bebauten Fläche, der räumlichen Aufteilung und der Nutzungsdichte ergibt sich der Zersiedelungsgrad. War 1970 eine Fläche von 1100 Quadratkilometern stark oder sehr stark zersiedelt, habe sich diese Fläche seither mehr als verfünffacht, erklärt Brenner bei der Präsentation der Studie am Donnerstag.

Besonders hoher Flächenverbrauch pro Wohnung

Grundsätzlich hat die Zersiedelung in allen Bundesländern mit Ausnahme Wiens stark zugenommen, wobei der Anstieg in Oberösterreich, Kärnten und der Steiermark besonders drastisch ausgefallen ist. Waren 1975 in Kärnten und der Steiermark jeweils sechs Prozent der Fläche stark oder sehr stark zersiedelt, waren es 45 Jahre später je 44 Prozent.

„Das ist eine ökologisch besonders belastende Form der Bebauung“, erklärt Helmut Haberl vom Institut für Soziale Ökologie an der Boku. Entstehen Gebäude fernab des Ortszentrums, müssten etwa eigene Zufahrtsstraßen gebaut werden – der Flächenverbrauch pro Wohnung oder Arbeitsplatz sei somit besonders groß. „Dadurch verlieren wir gesunde Böden, die die die Umgebung kühlen und Versickerungsgebiete schaffen“, erklärt Katharina Rogenhofer vom Kontext Institut für Klimafragen. Dazu kommt eine starke Abhängigkeit vom Auto. „Wir können nicht für jedes Einfamilienhaus eine Bushaltestelle bauen“, sagt Rogenhofer.

Anstatt in die Landschaft auszuweichen, gelte es, Siedlungen nachzuverdichten und leerstehende Gebäude sowie bestehendes Bauland zu nutzen, betont Gernot Stöglehner vom Institut für Raumplanung an der Boku. „Wir müssen nicht alle in 20-stöckigen Türmen leben“, stellt er klar, stattdessen könnte etwa aus einem ungenutzten Bauernhof eine Reihenhaussiedlung werden. Geht es nach Stöglehner, müssten es Änderungen im Steuersystem unattraktiv machen, gewidmetes Bauland nicht zu nutzten. Denn während ständig neue Flächen umgewidmet würden, seien derzeit rund 20 Prozent des bestehenden Baulands unbebaut.

„Haben sechsmal Wien dazu gebaut“

Auch müsse der Bodenverbrauch insgesamt eingedämmt werden „Seit 2000 haben wir über Österreich verteilt sechsmal Wien dazu gebaut“, sagt Stöglehner. Rund 12 Hektar würden in Österreich täglich verbaut, im aktuellen Regierungsprogramm ist eine Begrenzung auf 2,5 Hektar festgeschrieben. Eine Umsetzung scheiterte unter anderem am Widerstand von Ländern und Gemeinden.