Viel verloren hat die SPÖ nicht. Ein Minus von 0,6 Prozentpunkten bei der EU-Wahl ist eigentlich moderat, würde gemeinhin als Stabilisierung und nicht als Absturz gewertet werden. Für die SPÖ, der seit einem Jahr Andreas Babler vorsitzt, ist das Ergebnis allerdings ein Alarmsignal. Denn die beiden Regierungsparteien ÖVP und Grüne mussten deutliche Verluste einstecken, auch SPÖ-Klubobmann Philip Kucher sieht eine „Protestwahl“. Doch vom Ärger auf die Regierenden konnte die SPÖ nicht profitieren.

Es ist die erste bundesweite Wahl, die die Sozialdemokraten mit Andreas Babler an der Spitze bestritten haben. Den Aufschwung, der „Babler-Effekt“, den sich seine Unterstützer erhofft haben, ist ausgeblieben. Jene in der Partei, die Babler grundsätzlich wohlgesonnen sind, suchen die Gründe für das magere Abschneiden abseits der Parteiführung. Die EU-Wahl sei für die SPÖ stets ein schwieriges Terrain, betonen mehrere Funktionärinnen und Funktionäre gegenüber der Kleinen Zeitung. Klassisch sozialdemokratische Themen wie Sozialstaat, Gesundheit- und Pensionssystem würden eben auf nationaler Ebene und nicht in Brüssel entschieden. Auch sei der Wahlkampf von Spitzenkandidat Andreas Schieder möglicherweise zu „brav“ gewesen, heißt es. Der FPÖ sei es gelungen, die Europawahl als Abstimmung über die Arbeit der türkis-grünen Bundesregierung zu inszenieren, die SPÖ habe stattdessen auf europäische Themen gesetzt.

Ärger im Doskozil-Lager

Das EU-Wahlergebnis dürfte in der SPÖ bestehende Gräben vertiefen. Im einstigen Doskozil-Lager, das sich im Vorfeld der Mitgliederbefragung um den burgenländischen Landeshauptmann geschart hatte, macht sich bereits Ärger breit. Man fühlt sich in der damals an Babler geübten Kritik bestätigt, mit einem dezidiert linken Kurs sei in Österreich momentan nicht viel zu holen, so der Tenor. Irritiert ist man dabei auch über jene parteiinternen Kräfte, allen voran die mächtige Wiener Landespartei, die sich nach Pamela Rendi-Wagners Ausscheiden aus dem Rennen um den Parteivorsitz auf die Seite Bablers geschlagen hatten, um einen Sieg Hans Peter Doskozils zu verhindern. Nach der Nationalratswahl würden sich „die Verantwortlichen – das sind mehrere, nicht nur eine Person – rechtfertigen müssen“, stellte Doskozil bereits am Montag der Bundespartei die Rute ins Fenster. Dass manche in der SPÖ die Partei auf dem richtigen Weg sehen, ist für den Landeshauptmann unverständlich: „Ich sag’ in diesem Sinne alles Gute für die Nationalratswahl.“ Auch der Tiroler Landeshauptmannstellvertreter Georg Dornauer ließ bereits wissen, die SPÖ müsse ihren Fokus stärker auf Migration und Sicherheit lenken. Mit der von Babler beschworenen Einigkeit in der Partei ist es offenbar auch ein Jahr nach der Vorsitzdebatte nicht weit her.

Abgesehen davon spricht man sich in der offiziellen SPÖ wenige Monate vor der Nationalratswahl Mut zu. Man habe sich ein anderes Ergebnis gewünscht, „aber uns wurde prognostiziert, dass die FPÖ uneinholbar vorne sei. Die Realität: Wir haben drei ungefähr gleich starke Parteien“, schreibt die SPÖ etwa in einem Statement an die Kleine Zeitung. Die trübe Stimmung bei der Wahlparty in Wien ließ aber schon am Sonntag darauf schließen, dass man sich des Ernsts der Lage bewusst ist. Zumindest ein zweiter Platz vor der ÖVP wäre psychologisch wichtig gewesen, waren sich am Wahlabend viele einig.

„Anspruch, Erster zu werden“

Bei der eigenen Parteibasis kann der Traiskirchner Bürgermeister mit Parolen über einen Neuanfang nach schwierigen Jahren in der Opposition erfahrungsgemäß punkten. Doch außerhalb der Parteigrenzen kommt von der roten Aufbruchsstimmung wenig an. Das sagen nicht nur parteiinterne Babler-Kritiker, auch Wählerstromanalysen deuten darauf hin, dass die SPÖ derzeit mit einem Mobilisierungsproblem zu kämpfen hat. Die meisten Wähler von 2019 verlor die SPÖ an die Gruppe der Nichtwähler.

Die Zuversicht will sich Babler trotzdem nicht nehmen lassen. „Der Anspruch der Sozialdemokratie ist es immer, Erster zu werden“, verkündete er am Montag. „Die Aufholjagd geht ungebremst weiter.“