Als kurz vor halb zehn Uhr abends die grüne Parteispitze bei der Wahlparty im Wiener Metropol eintraf, war die Stimmung bereits gelöst und hatte die Erleichterung bei den Mitarbeitern und Funktionären längst in Richtung echter Freude gedreht. Das Ergebnis war besser als befürchtet – und sollte um 23 Uhr mit 10,9 Prozent aus grüner Sicht noch ein bisschen besser werden.
Zu Klängen der „Fantastischen Vier“, die Lautstärke nahe der Gesundheitsgefährdung, zogen die Parteioberen mit den Spitzenkandidaten ein, gingen in der jubelnden Menschentraube aber schnell unter. Mit Ausnahme von Thomas Waitz, dem Listenzweiten. Er ragte aber nicht nur ob seiner Körpergröße heraus, auch durch seine Rede, für die ausnahmsweise die abgeschmackte Zuschreibung „flammend“ passt. Er schrie den grünen Unterstützern aus der Seele.
Irritation um Delegationsleitung
„Dass die ÖVP noch Wähler hat, wundert mich wirklich“, sagte Waitz, der das starke Abschneiden der FPÖ bedauerte. Die Freiheitlichen würden von Problemen profitieren, selbst aber gar keine Lösungen anbieten. Die blauen Wähler seien aber keine schlechten Menschen, auch die müsse man – und werde er – ansprechen, so Waitz.
Seine öffentliche Überlegung vor der Wahl, sich für die Delegationsleitung anzubieten, hatte in dem an Irritationen ohnehin nicht armen Wahlkampf der Grünen für zusätzliche Aufregung gesorgt. Das wurde und wird von den Grünen herunter moderiert. Einen Konflikt der Kandidaten gebe es nicht – und eine Delegationsleitung bei zwei Mandaten auch nicht wirklich. Es sei keine offizielle Position, sondern nur eine Koordinierungsfunktion, die bei zwei Abgeordneten von überschaubarer Wichtigkeit ist.
Waitz bei Vorzugsstimmen stark
Waitz wollte am Sonntag nicht einmal einen Hauch von Konflikt erkennen lassen: „Wir haben eine wunderbare Spitzenkandidatin“, sagte er. Wer die Leitung der grünen Delegation übernehmen wird, soll ab Mittwoch besprochen werden. Waitz dürfte aber nicht nur aufgrund seiner Erfahrung die besseren Karten haben. In Wien gab ihm jeder vierte Grün-Wähler eine Vorzugsstimme, was dem südsteirischen Landwirt unter allen Kandidaten Platz eins einbringen dürfte. Schilling dürfte sich in Wien hinter Andreas Schieder (SPÖ) mit Harald Vilimsky (FPÖ) um Platz drei matchen. Ähnliches wurde am Montag auch aus Salzburg und Oberösterreich berichtet.
Endergebnisse sind erst für Mittwoch angekündigter. Aber landet Waitz klar vor Schilling, gibt es nicht nur eine formale Umreihung, sondern wäre dies auch als Zeichen in Richtung Parteiführung zu deuten. Kogler hatte am Sonntag Fehler eingestanden, die Kandidatur Schillings aber verteidigt, weil die Grünen auch „an der Spitze von Bewegungen“ stehen und deren Anliegen parlamentarisch vertreten wollen. Waitz hatte Ende des Jahres allerdings auch abgewunken, als Nummer eins in die Wahl zu gehen.
Doppelte Grund zur Freude
Über seine Landwirtschaft, eine Hofgemeinschaft in Leutschach an der Weinstraße, will Waitz nicht reden – Privatleben. Aufgrund seiner politischen Tätigkeit sei er auch mehr „qualifizierter Hilfsarbeiter“. Den tagungsfreien August verbringt er aber daheim und kümmert sich um seine Bienen und den Honig, die naturnahe Forstwirtschaft ist zeitlich weniger sensibel und fügt sich besser beruflich besser ein.
Waitz ist nicht nur EU-Mandatar, sondern auch Co-Vorsitzender der europäischen Grünen, des Zusammenschluss aller Grün-Parteien. In dieser Funktion war er auch maßgeblich an Gründung und Aufbau der slowenischen Grünen beteiligt, die bei der EU-Wahl erstmals antraten und auf Anhieb 10,53 Prozent erreichten. In gewisser Weise hatte Waitz am Sonntag doppelt Grund zur Freude.