Das drückende Wetter und der Platzregen taten der Stimmung in der Wahlzentrale der Neos am Wiener Heumarkt keinen Abbruch. Die erste Hochrechnung brachte der Partei bundesweit das erste zweistellige Ergebnis seit Parteigründung: Spitzenkandidat Helmut Brandstätter lag mit 10,5 Prozent mit den Grünen ex aequo. Der große Unterschied: Die Pinken dürfen sich über ein Plus an Stimmen freuen. Das für die Neos historische Ergebnis von 10,5 Prozent wurde mit minutenlangem Applaus quittiert, damit geht es auch für die Listenzweite, Anna Stürgkh, nach Brüssel. Ein Erfolg, der mit lauten „Anna, Anna“ rufen gefeiert wurde.
Schon morgen will der Spitzenkandidat in Brüssel mit der Arbeit anfangen: „Wir haben uns schlau gemacht, in welchen Ausschüssen, wir am meisten erreichen können.“ Brandstätter, für den es der erste Wahlkampf war, bedankte sich bei seiner Rede zwar ausführlich bei seinem Team und seiner Familie, das vorläufige Wahlergebnis blieb aber bei seiner ersten Wortmeldung unkommentiert.
Die 30-jährige Stürgkh erklärte den Neos-Erfolg damit, dass sie die einzigen waren „die mit einer klaren proeuropäischen Vision in den Wahlkampf gezogen sind und auch ein Ziel für ein gemeinsames Europa haben.“ Ein Umstand, für den sie auf der Straße viel positives Feedback erhalten haben, erklärte Stürgkh: „Es ist ein unglaubliches Gefühl. Anfang des Jahres lagen wir noch bei 7 Prozent, die 10,5 Prozent sind ein Wahnsinn.“ Das Ergebnis der FPÖ wollte sie nicht weiter kommentieren.
Brandstätter und seine Partei waren während des Wahlkampfes die einzigen, die sich deutlich für ein gemeinsames Europa ausgesprochen haben. Der ehemalige Kurier-Chefredakteur punktete besonders mit seiner Eloquenz bei Elefantenrunden, wo er sich auch gerne mit dem FPÖ-Kandidaten Harald Vilimsky anlegte. Nachdem die Neos in Kärnten, Salzburg und Innsbruck schlechte Wahlergebnisse erzielten, blickte man intern sorgenvoll auf den 9. Juni.
Nationalratswahl hoffnungsvoll erwartet
Parteichefin Beate Meinl-Reisinger sprach in ihrer Rede von einem „fulminanten Wahlsieg“ und verglich die Neos mit einer positiven Gegenvision zu der FPÖ: „Es gibt heute Abend zwei Gewinner. Der Erfolg der FPÖ freut uns aber nicht.“ Meinl-Reisinger wagte bereits einen Blick zu den Nationalratswahlen im Herbst: „Die Arbeit geht weiter und wir sind die positive Alternative in Richtung Zukunft.“
„Unser Ziel war es, Europa zu stärken, denn unser Wohlstand ist nicht garantiert“, so der Wiener Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr vor laufender Kamera, der auch sorgenvoll auf die Freiheitlichen blickte: „Die FPÖ wird gegen die EU zündeln“ Wiederkehr verglich den Wahlkampf der Neos mit einer großen Aufholjagd, die den Neos dieses für sie historische Ergebnis brachte.
Dass die Neos mit dem Ergebnis hinter den Erwartungen blieben – bei manchen Umfragen lagen sie bei 14 Prozent -, findet der Nationalratsabgeordnete Nikolaus Scherak nicht: „Wir haben hier ein historisches Ergebnis, doch ich finde, dass das Ergebnis der FPÖ zeigt, dass alles mittlerweile sehr kompliziert wurde.“ Dass er kein Fan von Umfragen ist, hat er in der Vergangenheit bereits öfter klargemacht: „Umfragen zeigen Trends, aber nichts Fixes.“ Ob die 10,5 Prozent auch für die Nationalratswahlen im Herbst als Ziel gelten, möchte er so nicht sagen: „Der Wahlkampf wird sehr intensiv. Im Herbst geht es um die Kanzlerschaft, und da haben es Kleinparteien traditionellerweise schwerer.“
Doppelt so viele Mandate für die Neos
Abgeordneten Yannick Shetty freute es besonders, dass mit den Neos eine proeuropäische Partei Stimmen dazugewinnen konnte: „Ich freue mich sehr, dass wir mit doppelt so vielen Mandaten im EU-Parlament sitzen werden.“ Anders als viele seiner Parteikollegen denkt er noch nicht an die Wahlen im Herbst.“ Ob man nun Platz vier oder fünf belege sei „doch nebensächlich“, so Shetty in einem TV-Interview.
„Leute, der Helmut kommt“, ging ein Flüstern durch die Neos-Zentrale, während Brandstätter tänzelnd seinen zweiten Auftritt des Abends machte: „Machen wir weiter so! Wir haben die richtigen Themen – und für die Beate und ihr Team laufen wir gleich mit!“