Der Jubel jener Freiheitlichen, die sich auf der kleinen Bühne vor einem Weinlokal in der Wiener Lichtenfelsgasse eingefunden hatten, fällt überraschend verhalten aus, als der blaue Balken der ersten Trendprognose nach der geschlagenen EU-Wahl nach oben schnellt. Dabei ist der Partei und ihrem Spitzenkandidaten Harald Vilimsky gelungen, was weder Jörg Haider, noch Heinz-Christian Strache geschafft haben: erstmals Platz eins bei einer bundesweiten Wahl. „Das Jubeln müssen wir wohl noch üben, da fehlt uns ein bisschen die Erfahrung“, scherzt ein Wiener Funktionär über die blaue Jubel-Zurückhaltung, als die „Danke, Österreich“-Schilder nach den Live-Einstiegen für die Fernsehkameras wieder weggelegt werden.

Mit prognostizierten 27 Prozent und der Hochrechnung auf das Endergebnis kurz vor Mitternacht von 25,5 Prozent liegen die Freiheitlichen am Ende zwar nur mehr knapp vor der ÖVP und unter ihrem Rekordergebnis bei der EU-Wahl 1996 (27 Prozent), dennoch gelingt ihnen ein historischer Wahlsieg. Und damit der Probelauf für die Nationalratswahl im Herbst. Für das Plus von mehr als acht Prozent wird neben dem Einsatz von Spitzenkandidat Harald Vilimsky aber vor allem die „konsequente“ Führung von Parteichef Herbert Kickl verantwortlich gemacht. Seit die Partei in landesweiten Umfragen konstant führt, wird interne Kritik nicht einmal mehr unter Zusicherung absoluter Verschwiegenheit geäußert.

„Watschn für die Regierung ohne Konsequenzen“

Die Fokussierung auf einige wenige Ansagen und Versprechungen im EU-Wahlkampf, die auch der Hinweis auf mangelnde Durchführbarkeit in der Praxis nicht entzaubern konnte, machte sich offenbar bezahlt. Auch Brüssel-Routinier Vilimsky konnte im Wahlkampf mit angriffigen Auftritten und scharfer Kritik an seiner angetretenen Konkurrenz punkten, Schnitzer oder Skandale leistete er sich keine. Die Rolle des ausgegrenzten Kämpfers für das Volk abseits der „Polit-Elite“ war von Kickl in den letzten Jahren perfektioniert und im Wahlkampf auch von Vilimsky internalisiert worden.

Dass die den Wahlkampf dominierenden Herren allein für den Sieg der Freiheitlichen verantwortlich sind, glaubt einer der anwesenden Blau-Wähler, der sich am vor dem gemieteten Lokal aufgebauten Buffet gerade zwischen Gulasch und Würstel entscheidet, nicht. „Das war jetzt praktisch die erste Protestwahl, wo man der Regierung ohne große Konsequenzen eine Watschn geben hat können“. Ganz anders sieht das ein Funktionär in der Schlange hinter ihm. „Das Ergebnis vom Harald ist super und dabei ist das gar nicht unsere Wahl“.

Wahlsieg als „Etappenziel“

Die eigenen Wählerinnen und Wähler gelten für EU-Wahlen seit jeher als schwer mobilisierbar. Dass es diesmal gelungen ist, wird intern als Erfolg verbucht. Der ein oder andere Parteistratege freut sich dabei vor allem über das knappe Ergebnis zur ÖVP, um mit der Inszenierung eines Kopf-an-Kopf-Rennens mit ÖVP oder SPÖ auf Platz zwei die eigenen Funktionäre zum unermüdlichen Einsatz für den Wahlkampf zu motivieren. „Denn dann geht's ja wirklich um was.“ FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz bemühte dazu einen Fußballvergleich: „Heute war das Freundschaftsspiel“.

Dass die EU-Wahl nur ein „Etappenziel“ ist, verkündet auch Bergenthusiast Herbert Kickl kurz nach 20 Uhr. Als sich der Parteichef mit Vilimsky, begleitet von ohrenbetäubender Musik, den Weg durch die anwesende Menge Richtung Bühne bahnt, ist vom verhaltenen Jubel des Nachmittags keine Spur mehr. Er sei „demütig und dankbar“ und „sogar ein bisschen gerührt“ angesichts „dieses Auftrags“ und der Bestätigung der eigenen Politik. Nun zünde man „die nächste Stufe und die heißt Bundeskanzleramt“. „Wir stehen tief in deiner Schuld“, sagt Kickl zu Vilimsky, der an diesem Abend das Schlusswort hat: „Heute ist der Tag, wo wir feiern“.